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AMARANTHE- The Catalyst

 

Watt genau ist denn eigentlich ein Katalysator? – Ein Katalysator wird als Agent der Veränderung definiert. Aber ist ‘The Catalyst’ ein Mittel des Wandels für die schwedische Melodic-Metal-Band AMARANTHE oder sabbelt man nur vor sich hin und es passiert nichts Neues auf dem neuen Album? Das siebte Album für die Sänger Elize, Nils und Mikael (der Nachfolger von Henrik „GG6“), den Gitarristen/Keyboarder und Mastermind Olof sowie den Bassisten Johann und Schlagzeuger Morten und der Nachfolger von Manifest aus dem Jahr 2021 mag oft genauso viel Dance-Pop wie melodischen Metal haben, aber ihre Songs sind nie so ganz abgedroschen.

 

Aber zu den Tracks mal im Einzelnen:

 

Der Titeltrack ‘The Catalyst’ – der mit wechselnden Tonarten und Effekten beginnt – ist, wie alle ihre Songs, eine Übung in Kürze. Nichts ist länger als etwa drei Minuten, aber es fehlt an nichts. Ich bin ein großer Verfechter von Songs, die ein Album würdig eröffnen, mit dem, was man selber erwartet. Hier passiert genau das.

 

Vieles von ‘Insatiable’ wird die Fans musikalisch an frühere Amaranthe-Tracks erinnern – diesen charakteristischen druckvollen, schwungvollen Groove, diesen Ohrwurm-Refrain, dieses gewisse Etwas, das zumindest in meiner Bubble damals zu Zeiten des Videos „Invincible“ noch für Augenrollen und „Watt soll datt denn sein?!“ Ausrufe sorgte.

 

In ‘Damnation Flame‚ handelt es sich bei dem von uns erwähnten Wandel um den Wandel vom Menschen zum Vampir, aber man kann das sowohl metaphorisch oder im übertragenen Sinne als auch wörtlich verstehen.

 

Und das gruselige Arrangement spielt mit, vom einleitenden Wolfsgeheul über die unheimliche Hauptmelodie und den walzerartigen Orchester Zusammenbruch vor der Bridge bis hin zu diesem kleinen Orgelschnipsel im Schlusschor. Das ist einfach purer Horror-Fantasy-Spaß, ein blutiges Toben mit einem unwiderstehlichen Refrain und ja, eine nette Abwechslung musikalisch und thematisch. Außerdem kann man davon ausgehen, dass man ca. 30 Sekunden lang NICHT headbangen will. Einer meiner Favourites auf dem Silberling.

 

Mit dem dazugehörigen entspannten Groove drängt ‚Liberated‘ dazu, uns von der Versklavung durch soziale Medien und der Massenverehrung zu befreien, denn vergesst niemals: Die Euphorie wird verblassen! Wir sind Strauße mit dem Kopf im digitalen Sand! Der zweite Vers bekräftigt diese Idee sogar noch Der Vorchor beschreibt die Schritte, die unternommen werden müssen und der Refrain geht auf die ultimative Emanzipation ein, nämlich mit der Energie lebendig und frei zu sein. Da es in der Ich-Perspektive geschrieben ist, könnte man es als einen Blick in Olofs eigene Gedankenwelt verstehen. Da kommt noch viel verbal großartiges auf uns zu von diesem Mann!

 

Auch wenn ‘Re-Vision’ im Künstlichen schwelgt, Keyboard, schnelles elektronisches Schlagzeugtempo, setzt es das Thema des Aussteckens, des Entwickelns einer neuen Perspektive, des Upgrade of Mind fort, um es noch einmal zu sagen, was wir inhaltlich bereits von Liberated um die Ohren bekommen haben. Es geht darum, mit der Vergangenheit aufzuräumen: Ich habe die Narbe satt. Es ist Zeit, sie zu entfernen. Die treibenden Synthie-Grooves, die auch locker aus einem Cyberpunkspiel stammen könnten, unterstreichen dieses Mindset noch.

 

An diesem Punkt wird, wie bei vielen ihrer Songs, das Muster von ‘Interference’ inklusive Gesang von Elize erwartet, dann übernimmt Nils die zweite und Mikael den Growl-Einwurf, bevor alle in den erwartungsgemäß eingängigen Refrain einstimmen. Und was soll ich sagen? Bei keinem anderen Song ist das altbekannte, wenngleich funktionierende Muster von AMARANTHE so auffällig für mich, wie hier. Es ist ein kräftiger Song, wenngleich mit der akustisch langweiligste Track auf dem Album. Es wirkt, als hätte man noch Hooklines, Growl-Raps und Messages „übrig gehabt“ und versucht diese auf die schnelle nochmal in einen Track zu packen.

 

Und an diesem Punkt hört man – wie auf den meisten Amaranthe-Alben – eine Ballade, hier ist also ‘Stay A Little While’. Es ist etwas bombastischer als Crystalline (immer noch mein Favorit unter den Amaranthenen SloMos) und es mangelt ihm an musikalischer Zerbrechlichkeit, aber die Kombination von Elize und Nils ist immer noch eine Erfolgsformel – sie klingen einfach so verdammt gut zusammen. Ich bin an sich kein Freund von diesen Balladen, wäre aber auch enttäuscht gewesen, hätte ich keine gehört. Es ist eine wunderschöne Haßliebe für mich.

 

Es ist irgendwie merkwürdig, wie subtil die Band in ihren Texten mit Sexualität umgeht. Es ist ziemlich offensichtlich, dass sich ‚Ecstasy‘ darauf bezieht, aber sie sagen es nie direkt – sie deuten es nur an, mit sorgfältig formulierten Worten, wie sie wohl nur ein Olof formulieren kann. Es ist irgendwie verzaubernd, die Gedanken schweifen ab. Aber ab und zu möchte man, dass sie etwas lockerer werden, sich schmutzig machen. Elize und Nils würden das mit Sicherheit wirklich gut rüberbringen. Es ist ein wenig, als wenn man Fifty Shades of Grey liest… und dann den Film ertragen muss.

 

Breaking The Waves’ ist mit seinem ausgelassenen, stellenweise maritimen Rhythmus, insbesondere im Refrain, eher ein kompositorischer Bruch. Und wenn man so will, geht es darum, den Kopf über Wasser zu halten und die Denkprozesse zu entdecken, die das möglich machen. Beide Sänger sind hier in besonders guter Form: Elize zeigt im ersten Vers eine ungewohnte Härte und wirkt wie eine Sirene, die lockt. Nils zeigt gegen Ende sein Falsett, was passt. Nur Mikaels Part passt so gar nicht. Hätte man den Track auflockern wollen, hätte es andere Stilmittel gegeben. Der harsche Abschnitt, der wohl an stürmische Orkane erinnern soll, reißt einen kurz vor dem letzten Refrain aus der Stimmung des Liedes, ist überflüssig und so schnell vergessen, wie er gekommen ist.

 

Knapp und schon fast hektisch ist ‘Outer Dimensions’ eine Ode an einen unterstützenden, einen helfenden Partner. Einen, der einem den Schlüssel zur Erlösung bringt und der da ist, um den Partner vor Täuschung zu retten. Elizes kalter, knackiger, behandelter Gesang im Vorchor leitet zu einem wogenden, aufsteigenden Refrain über, der dieses Gefühl der Dankbarkeit und Freude noch verstärkt. Nils verstärkt dieses Gefühl noch und es wirkt wirklich harmonisch, wie die beiden auf den Refrain zusteuern. Und sobald man in dem Song so richtig angekommen ist, ist er auch schon wieder vorbei.

 

Resistance’ wiederholt das Thema des Verzichts auf soziale Netzwerke aus Liberated auf eine eindringlichere Weise: Die Informationsautobahn ist wie eine Droge, die man nicht leugnen kann! Der Zustimmung zur Massenhypnose kann man sich kaum noch verstecken. Soweit die Fakten. Und die Lösung lautet: Ihr sehnt euch nach Bestätigung und die Sucht macht euch blind! Fürchtet euch nicht vor der (Online)Isolation, sondern lasst euch von der Vernunft leiten! Der zerstreute, ausgespuckte Vorchor ist ein schöner Einstieg in den eher legato gehaltenen Refrain mit einem pointierten Schlusskommentar. Es ist definitiv härter als Liberated, angeführt von Mikaels Gebrüll, Olofs Riffs und Mortens grenzgenialem Schlagzeugspiel, und es ist nach ‘Outer Dimensions’ ein echter Nackenbrecher! Me likes a lot!

 

Der offizielle Abschluss, ‘Find Life’, beginnt vielleicht mit denselben Tonarten und dem typischen gestaffelten Gitarrenriff, aber die Idee dahinter ist nicht wirklich neu und innovativ. Klar, als letzten Track des Albums kannste nur zwei Wege beschreiten: Brachialst auffe Zwölf oder ausklingend und leiser werdend. Amaranthe wählen den zweiten Weg und verlieren zumindest mich dabei. Elizes Gesang und Olofs sanftes Solo sind harmonierend aber mir fehlt hier einfach der weitere Bezug zum Album und ist damit der obligatorische „Den klick‘ ich weg“ Track für mich. Ist es dem Song gegenüber fair?! Das müssen andere entscheiden.

 

Auf dem limitierten Album finden sich neben den genannten Tracks auch noch die Bonustracks, eine orchestrale Version von ‚Damnation Flame‘ zum Beispiel oder ‘The Dragonborn Comes’ aus dem sehr beliebten Skyrim Computerspiel. Ein weiterer Bonus Track ist ein Cover von ‘Fading Like A Flower’ der schwedischen Popsensation ROXETTE (Ja, ich habe sie sehr gerne und viel gehört, steinigt mich doch!). Das Stück wird hier ordentlich „ver-amaranthet“ aber es scheint, als möchte man hier nur die Pop-Sensibilität betonen, für die AMARANTHE stehen möchte, wenn auch vielleicht nicht auf die beste Art und Weise. Mikaels rauer Gesang passt überhaupt nicht. Ich bin da irgendwie mehr gewohnt bei den Covern. ‚82nd All The Way‘ von SABATON ist da ein gutes Beispiel, wie es funktionieren kann.

 

Fazit:

 

AMARANTHE befindet sich an einem Scheidepunkt meiner Meinung nach. Nach zwei soliden Alben mit ‚Helix‘ und ‚Manifest‘ fragt man sich, ob sie mit ‚The Catalyst‘ nun selbstgefällig(er) in einem Stil unterwegs sind, den sie vollkommen beherrschen. Wie bereits erwähnt, erinnern viele der Songs an Songs auf anderen Alben und ihnen fehlt definitiv der drollige Humor von Henrik. Ja, Mikael ist ein sehr guter Ersatz. Aber wer ‚Fury‘ mal live gehört hat, der weiß, wie sehr Henrik das gerockt hat und wie sehr er fehlt. Zumindest mir.

 

AMARANTHE erzählen diesmal mit dem Album The Catalyst eine umfassende Geschichte. Es geht darum, den Optimismus in einer weniger optimistischen Welt aufrechtzuerhalten und wie üblich ist die Mischung der drei Sänger tadellos. Elize und Nils tauschen in den Strophen Zeilen aus, spielen sich die Bälle zu, und vermischen diese in den Refrains mit den growlenden Kommentaren von Mikael oder lassen ihm seinen Part, den er mit Bravour meistert. Er ist noch nicht die brachiale und wütende Gewalt, die wir von Henrik gewohnt sind aber er ist schon verdammt nah dran.

 

Alles in Allem ist dieses neue Machwerk sicherlich nicht mein Lieblingsalbum von AMARANTHE, aber es ist auf einem guten Weg dahin, solide und absolut hörbar.

 

Der Trollkönich vergibt 7,5 von 10 Rülpsern und hat fertig.

 

 

 

 

Autor

  • Ist es ein Vogel?! Ist es ein Flugzeug?! – Nein, es ist… Ein Metal-Doktor?! Marc Neubauer, besser bekannt als „Dr.MosH“ ist der Trollkönig mit der längsten Metalstirn Deutschlands, DJ Extraordinaire, Twitcher bei „MosHteryland“ und sucht in seiner Freizeit nach Freizeit. Bei den ROXXern ist er als Schreiberling und Reviewer tätig, zudem aber auch auf vielen Konzerten und Festivals zu finden. Musikalisch bewegt er sich zwischen "TrvE Norvegian Reggaeton Metal" und "South Australian Vegetarian Grindlounge" sowie allem dazwischen und darüber hinaus und sowieso und überhaupt! – Der Doc steht ganz klar auf Melodien, Takte, feiernde Fans und echte Mucker-Handwerkskunst. Denn brontalst episch ist das Leben und granatenstark!

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