Vom Theaterprojekt zum Folkrockstar:
Malte Hoyer – der Sänger der Bremer Barden wird 40.
Der Recke im Ringelshirt war schon als kleiner Junge vom Mittelalter fasziniert. 2003 beginnt der begeisterte Rollenspieler sein Sozialpädagogik-Studium und gründet im gleichen Jahr die Band Versengold stilgemäß in einer mittelalterlichen Schenke in der Nähe von Bremen. Es geht gar nicht darum, von der Musik leben zu können, sondern um den Spaß an der Sache. Carolin Fährmann singt und spielt die Gitarrenlaute, ein Zupfinstrument aus der Familie der Schalenhalslauten, zusammen mit Perkussionist Jan Schröder und Geiger Arndt Rathien machen sie „Lagerfeuermusik“. Praktisch als Teil des Rollenspiels entstehen Versengold und dazu die passenden Musikantennamen: Aus Malte wird „Snorre Snoerkelfrey“, aus Carolin „Sirkka von Ungefaehr“, aus Jan „Swolle Taugenichts“ und Arndt wird zu „Svente Fertig“. „Hoerensagen“ erscheint 2005 und ist geprägt von akustischem Folk.
Die vier Spielleute strotzen vor Tatendrang, touren und überzeugen das Publikum, sodass 2006 schon „Allgebraeu“ an den Start geht. Jetzt ist Thomas „Pinto“ Heuer (Bodhrán, Bouzouki) als Gastmusiker mit dabei, bevor er 2008 festes Mitglied wird. Noch als Geheimtipp gehandelt, schaffen sie es, sich eine eigene Fanbase zu erspielen. Versengold verändern sich und die Interessen der Bandmitglieder gehen auseinander, sodass 2008 Jan und Arnd die Gruppe verlassen. “Ketzerey” wird schon mit Thomas und Geiger Alexander Willms alias „Hengest Der Lange“ aufgenommen. Nach Fertigstellung geht auch Carolin. Ein bisschen nachdenklich, ein bisschen Ballade und natürlich mit stimmungsvollen Trinkliedern kristallisiert sich ein neuer Stil heraus.
Malte, Thomas und Alexander touren weiter mit wechselnden Gastmusikerinnen und beschließen, noch eine letzte Platte als Trio aufzunehmen, bevor sie die Band auflösen wollen. 2011 erscheint dann „Dreck am Stecken“, ein Themenalbum über das Leben der Halunken und Vogelfreyen. Eigentlich als Abschied gedacht, entsteht hier etwas Neues. Florian Janoske (Vio.) und Daniel Gregory (Git.) kommen als Gastmusiker hinzu – und bleiben unter den Namen „Honza Sturmgemuet“ und „Paule das Brett“. Versengold erschaffen ihren ganz eigenen Stil. Gerne lustig, niemals albern, immer folkig.
Gerne lustig, niemals albern, immer folkig.
Malte sprüht so vor Energie, dass ein Musikprojekt allein diese nicht zügeln kann. So erschafft er 2012 sein Alterego Hotze Knasterbart, ein dem Rollenspiel entstiegener Halunke von Welt mit Säuferzinken und Zahnlücke. Weil es alleine dann doch nicht so schön ist, schnappt er sich Rockpirat Simon Erichsen von Mr. Hurley und den Pulveraffen und von da an ziehen sie als Duo durch die Landen. Um als Vorband von Torfrock aufzutreten, muss eine Band her. Kein Problem. Florian und Daniel kennt man ja eh, dann holt man auch gleich noch Florians Bruder Philipp dazu, Felix Weidenhöfer und Ulrich Wortmann, entleiht man sich einfach bei Afterburner, bei denen auch Maltes Bruder Tjalf singt, et voilá fertig ist Knasterbart.
2013 spielen Versengold als Vorgruppe von Schandmaul auf dem M‘era Luna vor 10.000 Leuten. Zum Glück hatten sie Anfang des Jahres noch „Im Namen des Folkes“ veröffentlicht, sodass das Festivalfolk laut mitgrölen kann. Satte Gitarren-Riffs, treibende Rhythmen und mehrstimmige Chöre zeichnen dieses Werk aus.
Die fünf Mann bringen 2014 ihr zweites Themenalbum raus. “Auf in den Wind” handelt von dem weiten Horizont, Seeräubern und der Sehnsucht nach dem Meer. Thomas zockt gerne mal am PC, hat nur durch das Musikerleben nicht mehr so die Zeit dazu. Also verbinden sie das Ganze einfach, geben ein In-Game-Konzert in „Die Gilde 2“ und spielen in Tavernen und Kaschemmen.
Der Wandel vom Folk zum Folkrock
Eike Otten und Sean Lang stoßen 2015 dazu, mit im Gepäck: Bass und Schlagzeug. Der Wandel vom Folk zum Folkrock ist vollzogen und „Zeitlos“ erklimmt Platz 22 der Albumcharts. Auch melancholische Klänge kommen nicht zu kurz. 2014 erlitt Malte einen schweren Autounfall, als er im Urlaub von einem größeren Fahrzeug gerammt wurde. Ein Paar starb, Malte entging dem Tod nur knapp. „Wir werden alles übersteh‘n und -leben,
was uns zweifeln lässt“, verarbeitet Malte die Geschehnisse in seiner Musik.
Die mittlerweile reine Mengroup holt sich hin und wieder auch weibliche Unterstützung wie z. B. Katja Mosslechner (Faun). Mit ihr folken sie 2016 die Grosse Freiheit 36 und halten es auf ihrer einzigen DVD „Live in Hamburg“ fest.
Versengold stehen für Tradition. So hat es sich quasi zu einer Pflicht entwickelt, bei rührenden Liebesliedern das Publikum genau zu beobachten. Fans nutzen gerne diesen Augenblick, um ihren Liebsten einen Antrag zu machen – mal versteckt, mal live auf der Bühne. Wird der Antrag angenommen, widmet Versengold dem glücklichen Paar das Lied nachträglich unter tobenden Applaus. Bisher wurden alle Anträge angenommen.
2017 markiert einen Wendepunkt in der Versengoldgeschichte: Die Musikanten legen ihre Künstlernamen ab. Ab sofort ist Malte wieder Malte, Florian wieder Florian usw.. „Funkenflug“ legt einen Traumstart hin und steigt direkt auf Platz 2 – und wird zur bis dahin erfolgreichsten Platte der Gruppe. Die Kombination aus intelligenten, lyrischen Texten, einer Prise Humor und Folkrock geht voll auf. Wie bei Mittelalterbands üblich, werden auch mal Mitglieder ausgeliehen und gegenseitig die Songs gecovert. So singen Versengold Schandmauls „Tjark Evers“ (auf Plattdeutsch!) und die revanchieren sich mit ihrer Interpretation von „Haut mir kein‘ Stein“. Ende des Jahres singt Malte mal schnell bei den Kollegen von Krayenzeit den Song „Am Leben“ zusammen mit Anna Katharina Kränzlein auf „Von Mond und Schatten“, bevor sie sich wieder ihrer Hauptbeschäftigung widmen: Touren, Spielen und Musikschreiben.
Diesmal haben sie sich was ganz Besonderes überlegt: Eine reine Balladentour. Keine charmanten Trinklieder, dafür mit jeder Menge Gefühl und feuchter Augengarantie. Die Rechnung geht auf und die Fans sind begeistert. Die „Nacht der Balladen 2018“ wird ihre zweite Live-CD.
2019 widmen sie ihre neue CD ihrer nordischen Heimat. „Nordlicht“ steigt auf Platz 4 der deutschen Albumcharts und hält sich elf Wochen in den Top 100.
Ihre Reise beginnt auf Mittelaltermärkten und führt sie zu Festivals wie dem Wave Gotik Treffen, M‘era Luna und Wacken und damit zum kommerziellen Höhepunkt – und dann kommt der Lockdown …
Und dann kommt der Lockdown
Plötzlich sind alle Festivals verboten, alle Konzerte verboten, alle Auftritte verboten. Nach der Fassungslosigkeit werden die Ärmel hochgekrempelt. Die Fans dürfen nicht in die Clubs – also kommt der Club zu den Fans!
Online natürlich! Die Zwangspause führt zu neuen Ideen. VersengoldTV geht online und die Hünen aus dem Hohen Norden (Sean, der Kleinste, ist gerade mal 1,80m) gewähren ihren Fans Einblicke in ihre persönlichen Heimstudios.
Die Fans vermissen ihre Band – und die Band auch ihre Fans. Das erste Versengold-Online-Konzert geht am 23.05. on. Die Fans können sich live via ZOOM dazuschalten und mit der Band interagieren.
Da geht noch mehr: Ingo Hampf (Subway To Sally) und seine Frau Maria erfinden mal schnell das Online Musik Festival und veranstalten es. Nicht lang schnacken, einfach machen. Zusammen mit zahlreichen Genregrößen wie z. B. Lord Of The Lost, Letzte Instanz und natürlich Versengold. Das Pfingstwochenende wird laut. Es gibt Musik, Merch und sogar ein virtuelles Catering!
Eine Krise ist ja auch immer eine Gelegenheit und die Jungs von Versengold sind fleißig. Mit der neuen CD „Nordlicht – Das Märchen von morgen“ mit sieben zusätzlichen neuen Songs sowie einer Live-CD der Nordlicht-Tour aus der Grossen Freiheit 36 geht‘s auf Autokinokonzertetour.
Anna Brauer
(Foto Beitragsbild: NikkitaLuennenmann)