Metal trifft Klassik – Growling und E-Gitarre gehören bei Nightwish genauso zum Repertoire wie Operngesang und Dudelsack. Acht Millionen verkaufte Tonträger bezeugen ihre riesige Fanbase und dass sich Gegensätze eben doch anziehen. Nach fünf Jahren melden sich Floor Jansen (Ges.), Emppu Vuorinen (Git.), Marco Hietala (B.), Tuomas Holopainen (Key.), Troy Donockley (Dudels., Flö.) und Kai Hahto (Dr.) mit dem Doppelalbum „Human. :II: Nature.” zurück.
„Symphonic Metal” nennt sich die Musikrichtung, mit der sich Nightwish rund um den Globus bekannt gemacht haben. Groß wurden die Finnen mit Sängerin Tarja Turuunen (42), die seit der Gründung 1996 bis 2005 die Vocals regierte. Nach ihrem Austritt verlor die Band für einige Jahre ihre Stabilität. Als ihr Ersatz Anette Olzon (48) während der Welt-Tournee 2012 erkrankte, fragten Nighwish spontan die ex After Forever-Frontfrau Floor Jansen (39) und den Multiinstrumentalisten Troy Donockley (55) im Hotel, ob sie die Tour mit ihnen fortsetzen wollen. Wollten sie! Gemeinsam unterstützten Floor und Troy die Band bei den weiteren Konzerten und sind bis heute fester Line-Up-Bestandteil. Floor, eine stimmgewaltige Sopranistin aus den Niederlanden, meistert anmutig den Spagat zwischen klassischem Gesang, growling und shouting, während Troy mit sensiblem Gespür Dudelsack und Schnabelflöte einsetzt.
Nach dem ersten Werk in der aktuellen Besetzung “Endless Forms Most Beautiful“ (2015) wurde es erstmal still um die Musiker. Grund dafür war vor allem die Geburt der kleinen Freja, Tochter von Floor und Sabaton-Schlagzeuger Hannes Van Dahl (30). Seitdem ist einiges passiert. Zum Beispiel wurde eine jüngst entdeckte Käferart nach Floor benannt: Tmesisternus floorjansenae Weigel heißt das Krabbeltier. In der Band keine Premiere, denn 2017 wurde eine Mückenart nach dem Produzent, Songwriter und Keyboarder Tuomas Holopainen (43) benannt. Warum Insektenforscher den ungewöhnlichen Hang haben, ihre Befunde nach den Musikern zu benennen, können sich Floor und Troy selbst nicht erklären. Dafür erzählen sie uns alle heißen Facts über Nightwish und “Human. :II: Nature.”.
Ihr habt eine tolle Atmosphäre in der Band. Erinnert ihr euch daran, als Nightwish sich das erste Mal wie eine richtige Band angefühlt hat?
Floor: Gleich nachdem ich der Band beigetreten bin. Ich hatte gerade ein Burn-Out hinter mir und habe wieder angefangen, mich an die Arbeit ranzutasten. Ich war damals seit einem Jahr nicht mehr auf der Bühne und plötzlich war da diese US-Tour und ich sollte mit Nightwish spielen. Das hat mir ziemlich Angst gemacht. Aber als wir die ersten Tage überstanden hatten, haben wir realisiert, wie gut die Zeit ist, die wir erleben.
Troy: Die Band war in einer extrem fragilen Situation als Floor zu uns gestoßen ist. Das alles war traumatisch und schwer – für uns alle. Dank Floor haben wir wieder die Balance gefunden. Wir konnten endlich wieder atmen und ab dann wurde es immer besser. Seither ist es wundervoll. Wir sind nicht wie andere Bands – und glaub mir, ich war in vielen Bands. Ich weiß alles über die Interessen und Konflikte, furchtbaren Desaster und schlimmen Egos. Wir schaffen es irgendwie, all das zu umgehen und jetzt sind wir in der Situation, dass wir uns alles sagen können, weil wir miteinander befreundet sind und das Glück haben, gemeinsam diese großartige Musik zu machen.
“HUMAN. :II: NATURE.” erzählt von all dem, weil selbst die beste Sängerin und der beste Gitarrist nicht unbedingt das beste Album der Welt machen.
Floor: Sehr richtig, alles dreht sich um die Chemie und wir wachsen immerzu – menschlich als auch als Musiker. Wir versuchen, immer besser zu werden und das ist nur möglich, wenn man sich gut genug kennt, um aus seiner Komfort-Zone zu treten. Jedes neue Album soll eine neue Definition sein von dem, wer wir sind.
Wie habt ihr reagiert als Tuomas erzählt hat, was er sich für die Vocals ausgedacht hat?
Floor: Als ich die Songs zum ersten Mal gehört habe, hat ein Piano meine Vocal-Line gespielt und das allein war schon eine Reise. Ich habe mit den Melodien und den Texten gearbeitet, ich wollte fühlen, was ich da singe. Das war der Moment, als ich merkte, wieviele starke Emotionen das Album beherrschen. Es ist traurig, hoffnungsvoll und wunderschön. Ich erinnere mich gut an den Moment zwischen dem Singen und Fühlen – das hat ein völlig neues Level eröffnet.
Troy: Floors Performance ist brilliant. Diese durchdachten und ausgeklügelten Texte zu transportieren und dabei die Emotionalität zu erhalten, ist ein großes Talent. Ich glaube immer noch, dass viele Leute die Kraft in Floors Stimme unterschätzen.
Auf dem Album spielst du zahlreiche Instrumente wie Gitarre und Flöte, Troy.
Troy: Wenn Tuomas schreibt, beachtet er nicht wirklich die Limits von Stimmen und Instrumenten, geschweige denn von menschlichen Wesen (lacht)! Ich habe ihn schon oft darauf hingewiesen, dass verdammte Flöten nicht das hervorbringen können, was er gerne möchte und dann sagt er: ‘Kannst du es nicht versuchen?’. Wir wollen und müssen uns immer übertreffen und die beste Musik machen, die wir überhaupt machen können.
Was ist das Grundlegendste der menschlichen Natur?
Floor: Ein Teil der menschlichen Natur ist zu realisieren, dass wir selber ein Teil der Natur sind. Es ist in unserer DNA. Ich meine, die ähnelt zu 97% der einer Banane – wie können wir da behaupten, kein Teil der Natur zu sein? Wir haben vergessen, dass wir ein Teil ihrer sind und es gibt viele Menschen, welche die Verbindung zur Natur verloren haben. Besonders in dieser schnelllebigen Zeit ist es wichtig für die Menschheit und die mentale Gesundheit, einen Weg zurück zur Natur zu finden.
nightwish.com
(Foto Beitragsbild by Tina Korhonen)