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Ritchie Blackmore wird 75 ! Exklusives OXMOX-Interview

Hardrock mit Schlagerkraft

Ritchie Blackmore, schrieb mit Deep Purple und Rainbow Rockgeschichte. Schon in den 1970er Jahren ließ er in sein Gitarrenspiel Elemente aus der Musik der Klassik und der Renaissance mit einfließen. Nachdem der Brite fast 20 Jahre lang ausschließlich mit der Mittelalterband Blackmore’s Night aufgetreten war, kehrte er 2016 zur Rockmusik zurück. In München fand am 12. Juni das einzige Deutschlandkonzert von Rainbow in 2019 statt.

Mr. Blackmore, es heißt, Sie mögen deutsche Schlagermusik. Was gefällt Ihnen daran?

Ritchie Blackmore: Die Unschuld. Der deutsche Schlager hat etwas Befreiendes. In amerikanischer Musik gibt es diese Unschuld nicht. Entweder ist es Hip-Hop oder Country. In der Country-Szene findet man die besten Gitarristen der Welt, Schlager hingegen ist eine sehr simple, nostalgische und reine Musik. Man muss dabei nicht nachdenken. Ich schaue mir manchmal die deutsche Unterhaltungssendung “Fernsehgarten” an, weil sie so wohltuend ist. Vielleicht ist sie ja gar nicht so unschuldig wie sie tut, aber auf mich wirkt sie so. Rockmusik hingegen klingt oft sehr verkrampft und nervös. Viele Musiker stolzieren affektiert auf der Bühne herum und spielen so schnell wie möglich.

Haben Sie sich beim Songschreiben für Deep Purple und Rainbow von deutschen Schlagern inspirieren lassen?

Blackmore: Ja, und zwar insbesondere, wenn ich nach einer einfachen Melodie gesucht habe. Die Musik der Beatles und der Kinks in den 1960er Jahren war auch sehr einfach. Wie Schlager. Die Refrains konnte man leicht mitsingen. Deshalb habe ich das Intro-Riff von “Smoke On The Water” so einfach wie möglich gemacht. Wunderbar einfach!

1964 lebten Sie in Hamburg und spielten mit einer deutschen Band. Welche Musik haben Sie damals gespielt?

Blackmore: Ich habe mit einigen deutschen Bands gespielt, aber alles, was sie wollten, war die Rolling Stones zu covern. Das war schwierig für mich, weil ich keine Lust hatte, die Soli ihres Leadgitarristen Keith Richards zu kopieren. Das hatte aber nichts mit Respektlosigkeit zu tun.

Heute leben Sie auf Long Island, einer Insel im Bundesstaat New York. Ist Ihr Haus ein inspirierender Ort?

Blackmore: Als wir dort einzogen, war es ein ganz normales Haus an der Küste von Long Island. Aber wir haben den gesamten Innenbereich umbauen lassen. Jetzt hängen überall Wandteppiche und Kronleuchter; die Türen sind aus Gusseisen. Viele Assessoires im Haus stammen von unseren Reisen. Wir leben in keinem Schloss, aber es wirkt ein bisschen so. Nahe liegend, dass es im Keller eine Bar im deutschen Stil gibt, wo wir deutsches Bier trinken. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Wasser. Und hinterm Haus ist ein Wald. Eine sehr entspannte und mithin kreative Atmosphäre.

Im Sommer spielen Sie wieder mittelalterliche Klänge in Theatern, Schlössern und Burgen. Haben Sie mit Blackmore’s Night den Anspruch, Innovatives zu erschaffen?

Blackmore: Innovation in der Musik ist etwas sehr Subjektives. Als Musiker weiß man nie, ob man gerade etwas gänzlich Neues kreiert oder etwas Altes aufgefrischt hat. Das entscheidet immer der Hörer. Ich mache Musik vor allem für mich selbst, und wenn die Leute sie mögen, bin ich glücklich. Wenn sie sie nicht mögen, bin ich es übrigens auch. Wie meine Musik klingt, hängt immer von meiner jeweiligen Gemütsverfassung ab. Ich habe überhaupt keine Vorstellung davon, wohin sich meine Musik entwickelt. Ich lasse sie einfach passieren.

Ihr Beruf besteht zu einem großen Teil aus Reisen. Haben Sie sich nach über 50 Jahren daran gewöhnt?

Blackmore: Wenn ich eine Reise mache, möchte ich umstandslos von A nach B kommen. Aber wenn man hier in Amerika einen Flug bucht, weiß man nie, ob man am geplanten Ziel ankommt oder eine Nacht auf dem Flughafen verbringen muss. Flugreisen sind heutezutage sehr anstrengend. Wenn wir in Europa touren, reisen wir immer bequem mit dem Auto. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind nicht nur sehr gut organisierte Länder, sie haben auch die besten Komponisten der letzten 400 Jahre hervorgebracht. Ich liebe es, die Natur und historische Stätten zu betrachten.

Was haben Sie von den Mittelalter-Bands aus Deutschland gelernt?

Blackmore: Ich kam 1963 erstmals nach Deutschland, um mit Jerry Lee Lewis und Gene Vincent im Starclub in Hamburg zu spielen. Ich erinne, wie ich Jahre später einmal eine Burg in der Nähe von Frankfurt besuchte, wo eine Mittelalter-Band spielte. Sie hieß Des Geyers schwarzer Haufen. Ich war fasziniert von ihren Instrumenten wie Krummhorn, Drehleier, Schlüsselgeige. Alles an dieser Band wirkte organisch; sie spielte ohne Verstärkung und klang extrem erfrischend und überhaupt nicht pompös. Zu dem Zeitpunkt hatte ich Gitarrenbands ziemlich satt, weil sie für meine Ohren alle gleich klangen. Die Musiker der Geyers sahen aus wie die drei Musketiere und ich dachte, ich würde auch gern solche Musik auf einer Burg vor 200 Leuten machen. Daraufhin habe ich mit Candy Blackmore’s Night gegründet.

Der neue Sänger Ihrer legendären Rockband Rainbow heißt Ronnie Romero und ist in der Rockwelt ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Was gefällt Ihnen an dem Chilenen?

Blackmore: Er hat eine einzigartige, aufregende Stimme. Und er besitzt die Fähigkeit, andere Sänger wie Freddie Mercury oder Ronnie James Dio nachzuahmen. Als ich seine Stimme das erste Mal hörte, erinnerte sie mich an die frühen Rainbow. Es waren nostalgische Gefühle, die Rainbow wieder haben aufleben lassen. Also stellte ich eine Setlist mit Songs zusammen, die Ronnie Dio einst gesungen hat. Ich weiß, dass viele Rainbow-Fans in Europa diese Phase am meisten mögen.

Sind Sie der akustischen Gitarre langsam wieder überdrüssig?

Blackmore: Nein, nach 20 Jahren habe ich mich so richtig an sie gewöhnt und finde es sehr komfortabel, vor Publikum auf ihr zu spielen. Wenn ich zuhause bin, spiele ich immer den ganzen Tag auf der Akustikgitarre – im Fingerstyle mit langen Fingernägeln. Wenn ich aber mit Rainbow auf Tour bin, muss ich mir immer ziemlich den Arsch aufreißen, um die E-Gitarre mit kurzen Fingernägeln und einem Plektron spielen zu können.

Dieses Jahr spielen Sie direkt nacheinander eine Tour mit Rainbow und eine mit Blackmore’s Night. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Blackmore: Indem ich mir die Nägel innerhalb von einer Woche wachsen lasse! Das wird aber nicht funktionieren, also muss ich mir falsche Nägel anziehen. Das ist der schwierigste Part neben dem Erlernen der Setlist. Mit Rainbow spiele ich ja nur einmal im Jahr, weshalb ich mir die Songs jedes Mal neu draufschaffen muss. Das lässt mein Gehirn Amok laufen. Um Weihnachten herum wird es vielleicht ein ganzes Album mit neuen Songs von Rainbow geben. Die Shows, die wir dieses Jahr spielen, sind jedoch reine Nostalgieveranstaltungen. Manchmal habe ich einfach Spaß daran, zurückzuschauen.

Brian May von Queen sieht in Ihnen einen noch größeren Pionier als Jimi Hendrix. Sind Sie mit sich als Musiker zufrieden?

Blackmore: Nein, niemals. Ich bin die meiste Zeit frustriert. Wenn ich Auszeichnungen bekomme – wie zum Beispiel die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame -, finde ich das immer ein bisschen peinlich. Aber es ist sehr nett, was Brian May über mich gesagt hat. Queen war eine tolle Band, und der Film “Bohemian Rhapsody” ist fantastisch. Ich habe meine Augen keine einzige Sekunde zugemacht. Und das will etwas heißen, weil ich sehr schnell gelangweilt bin. Ich finde es unerträglich, nichtstuend auf Flughäfen herumzusitzen. Andererseits habe ich auch keine Lust, wie ein Idiot auf ein iPhone zu starren.

Ich habe gelesen, dass Sie Arthritis in den Fingern haben. Wie gehen Sie damit um?

Blackmore: Meine Arthritis ist hauptsächlich im Rücken, und einer der Finger an meiner linken Hand funktioniert nicht mehr so, wie er sollte. Aber ich spiele einfach weiter. Django Reinhardt hat Gitarre mit nur zwei Fingern gespielt. Da sollte ich es doch schaffen, mit dreien zu spielen. Das ist eines der großen Themen bei meiner diesjährigen Tour mit Rainbow. Ich bekomme regelmäßig schmerzstillende Spritzen in den Rücken. Ich kann mit Rainbow nur dann auftreten, wenn ich schmerzfrei bin. Damit mache ich es meinen Konzertagenten nicht gerade leicht. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mit Rainbow nur so selten spiele. Mit einer schweren Stratocaster-Gitarre den ganzen Abend auf einer Bühne zu stehen ist sehr anstrengend. Voriges Jahr in Prag konnte ich keine Zugabe geben, weil ich so starke Schmerzen hatte. Aber wir haben alle unsere Probleme.

Wie wärmen Sie sich vor einer Show auf?

Blackmore: Ich improvisiere ein bisschen und spiele ein paar Skalen in der Garderobe. Wenn ich Schmerzen habe, trinke ich einen Schluck Whiskey. Und ich meditiere. Das lässt mich schweben.

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