Exklusiv-Interview
Einschlägige Vorstrafen, homophobe und frauenfeindliche Texte, Praktikum im Bundestag, Konzerte gegen Jugendgewalt, harmonisches Familienleben – das alles und noch viel mehr ist Anis.
Mohamed Youssef Ferchichi, besser bekannt als BUSHIDO.
Seit über drei Jahren befindet der Rapper sich in einem Rechtsstreit mit seinem ehemaligen Manager, der als Kopf eines kriminellen Berliner Clans gilt. Im März soll BUSHIDOS erste Tournee seit acht Jahren starten, voraussichtlich seine letzte. Im Interview zeigt sich der 45-jährige Rapper geläutert und spricht über den Gerichtsprozess, seine Therapie, einen heftigen Streit mit Capital Bra und sein neues Album.
OXMOX: Der erste Auftritt von The Police fand am 1. März 1977 im Alexander‘s in Newport/Wales statt, noch mit Henry Padovani an der Gitarre. Sting und Du spieltet damals auch in der Band von Cherry Vanilla.
Bushido: Das ist richtig. Wir haben an diesem Abend für mehrere Sets gespielt. Wir waren die am härtesten arbeitende Rhythmusgruppe im Showgeschäft. Aber unser Set war nur etwa sechs Minuten lang – mit zehn Songs. Wir waren schnell. Wir waren nur angeheuerte Leute. Als Cherry in London ankam, mietete ich ihr ein Klavier für ihren Pianisten, einen Verstärker für ihren Gitarristen und einen Bassisten und Schlagzeuger für ihre Band – das waren Sting und ich. Der Deal war, dass sie uns bar bezahlt: 15 Pfund pro Nacht plus The Police als Opener ihrer Show. Jede Band hatte zwei Auftritte pro Abend.
1978 traten The Police im legendären Punk-Club CBGB‘s in New York auf. Was steht im Tagebuch?
Die Einträge wurden mit der Zeit immer spärlicher. Ich denke zwar die Jahre 1978 und 1979 mit Datumsangaben und Ereignissen ab, aber die eigentlichen Tagebucheinträge habe ich in Amerika nicht fortgesetzt. Wir waren damit beschäftigt, im ganzen Land Shows zu spielen. Zum Beispiel steht da: „Nach Amerika geflogen“. Und die nächsten Seiten blieben leer. Aber ich habe andere Informationen über diese Zeit. Bei den früheren Gigs habe ich sogar aufgeschrieben, wie viele Leute anwesend waren, wie viel wir bezahlt bekamen, wie viel PA und Truck kosteten. Ich habe auch unsere Gigs kritisiert. Das Jahr 1976 mit der Band Curved Air übrigens auch. In dem Buch sieht man den Kontrast zwischen der Prog-Rock-Szene mit Curved Air mit drei Roadies und Lichtshow und der Punk- Welt mit The Police: wir waren drei Musiker und hatten keine Roadies.
Die Konzerte im „CBGB‘s“ wurden kürzlich als Tape gefunden. Sollen Sie veröffentlicht werden?
Was diese Police-Shows betrifft, so glaube ich nicht, dass sie jemals veröffentlicht werden. Ich kann mich daran erinnern, dass jemand diese Aufnahmen gemacht hat. Ich kann mich aber nicht erinnern, was aus ihnen geworden ist.
Heute kaum vorstellbar, dass The Police anfangs mit Punkbands und in Punkclubs aufgetreten sind.
Oh ja, ich liebte die Energie von Bands wie The Damned und The Clash. Es war keine anspruchsvolle Musik, aber ich komme ja von der Band Curved Air, bei der es nur um anspruchsvolle Musik ging und nicht so sehr um die Ver- bindung zum Publikum. Die Punkszene war so viel spannender, auch das Publikum.
Nun, Du hast erklärt, dass „König für immer“ die letzte Tour Dein Leben sei. Willst Du Deine musikalische Karriere jetzt schon beenden?
Ich nehme mich selbst schon als alt wahr und spüre gewisse Unterschiede zu früher. Ich bin seit acht Jahren nicht mehr auf Tour gewesen und konnte durch bestimmte Umstände leider nur noch sehr wenig Zeit mit Musik verbringen.
Jetzt bin ich mit meiner Frau und unseren acht Kindern nach Dubai ausgewandert. Es gibt immer mehr Dinge, die sich in den Vordergrund drängen. Die Möglichkeiten, Musik zu machen, werden immer seltener.
Aus einer persönlichen Fehde mit Capital Bra heraus habe ich im September noch einmal den erfolgreichsten Diss- Track released und daraufhin kam wieder Interesse an mir auf. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und maße mir an, da auch gut zu sein. Ich bin jemand, der das Publikum unterhalten kann. Also will ich das jetzt noch einmal machen, um vielleicht danach wieder in das „normale“ Leben überzugehen. Wir haben bereits über 100.000 Tickets verkauft. Da ist der Druck natürlich sehr hoch, danach noch einmal auftreten zu wollen. Aber es war zumindest so geplant, dass es die letzte Tour werden wird.
Fällt Dir das Abschiednehmen leicht?
Ich möchte meine Fans nicht enttäuschen, indem ich sage, dass für mich mein echtes Leben immer im Vordergrund steht. Es gab bei mir schon immer die Option, dass die Musik irgendwann nicht mehr sein wird. Auf diesen Moment wollte ich vorbereitet sein. Ich habe jetzt acht Kinder, das bedeutet eine Menge persönliche und finanzielle Verantwortung. Ich muss mein Bestes geben, dass meine Kinder vernünftige, gute Menschen werden und andere mit Respekt behandeln. Meine Frau hat lange Zeit mit mir und durch mich gelitten. Ich bin auch ihr verpflichtet, ein guter und gerechter Mann zu sein. Diese Dinge nehmen viel Zeit und Kraft in Anspruch. Deswegen wollte ich nie in dieser Deutsch-Rap-Blase gefangen sein. Ich verdiene auch viel Geld außerhalb der Branche. Wenn ich müsste, könnte ich mit der Musik aufhören.
Was hast Du Dir für Deine Abschiedstour ausgedacht?
Eine tolle Trackliste mit den meiner Meinung nach wichtigsten Songs aus all meinen Epochen. Meine Familie wird auf der Tour dabei sein. Ich werde mein Bestes geben, dass die Zuschauerinnen und Zuschau- er mit einem tollen Gefühl nach Hause gehen können.
Wie sehr quälst Du Dich für ein Ziel?
Ich quäle mich bis ins Unendliche. Teilweise bin ich auch zwanghaft. Wenn ich etwas an- fange, möchte ich es auch zu Ende bringen. Vor allem auf Geschäftsebene. Ich liebe es, Geschäfte zu machen. Ich bin wahrscheinlich mehr Businessmann als Rapper. Das hat mir finanziell immer sehr gut geholfen und mich von Alkohol und Drogen abgehalten. Ich gebe einfach alles für die Dinge und Personen, die mir wichtig sind.
Wie stellst Du Wärme her in einer Halle mit 10.000 Menschen?
Viele denken, in der größten Halle mit den meisten Menschen herrscht immer die beste Stimmung. Das ist nicht immer der Fall. Im Schweizer Club Bierhübli kamen zu mir einmal 600 Leute. Dieses Konzert war extrem gut. In großen Hallen ist es manchmal schwer Energie zu erzeugen. Ich bin aber gewillt, mein Bestes zu geben und durch meine persönliche Präsenz eine Verbindung zum Publikum herzustellen. Ich glaube, das schaffe ich.
Was ist das für ein Gefühl, auf der Bühne alles im Griff zu haben?
Naja, man hat nicht immer alles im Griff. Es ist aber definitiv ein tolles Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Im Rap gibt es Menschen, die können gute Songs schreiben, andere können im Studio sehr gut arbeiten. Und dann gibt es welche, die können gut auf der Bühne performen. Ich liebe es.
Wo probst Du für die Tour?
Also, gestern Nacht habe ich in meinem Bett geprobt und dabei meine Frau aufgeweckt. Oder ich sitze im Auto und rappe meine Songs. Im Februar werde ich noch einmal sehr intensiv proben und wir haben natürlich eine General- probe vor dem ersten Konzert in Berlin.
Wie viel von Deiner Bühnenshow ist geplant, wie viel entsteht spontan?
Es gibt einen technischen Teil, die kreative Programmierung der Lichter, Pyros und so fort. Aber alles, was von mir persönlich kommt, ist immer spontan. Bei jedem Auftritt.
Deine Kinder werden Dich erstmals live auf der Bühne erleben.
Mein Stiefsohn ist 21, er hat das schon mitbekommen. Die nächsten waren drei bzw. zwei Jahre alt bei meinem letzten Konzert. Mein Achtjähriger und die Drillinge waren da noch gar nicht geboren. Ich will bei dieser Tournee bewusst meine ganze Familie und unsere philippinischen Nannys dabei haben. Die Kinder sollen ihren Papa mal als Bushido erleben, das ist ein tolles Kontrastprogramm. Wir werden sogar zusammen im Tourbus schlafen. Natürlich sehen sie jeden Tag meine Tätowierungen und mein Logo auf meinem Hals, aber mein Leben an sich hat nichts mit Bushido zu tun. Ich selber konnte mit meinem Eltern damals nicht viel machen. Meine Mutter hat geputzt und mein Vater war nicht da. Ich konnte mit ihm nicht angeln gehen. Meine Kinder sollen einmal erzählen können, dass sie mit ihrem Vater zusammen auf Tour waren. Ich will sie auch unbedingt auf die Bühne holen während des Konzerts.
Machst Du Dir manchmal bewusst, wie Ihre Kindheit Ihr Leben beeinflusst hat?
Ja. Ich bin unendlich froh, dass ich die Frau kennengelernt habe, die ich vor 13 Jahren geheiratet habe. Sie wurde zum wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie hat auch sehr gelitten unter mir, mich aber in wichtigen Phasen unterstützt und zuweilen in den Hintern getreten. Sie hat sehr viel dzu beigetragen, mich als Mensch in eine bessere Richtung zu bringen. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich bin teilweise noch ein bisschen bescheuert im Kopf, aber als Familie funktionieren wir relativ gut.
In Deutschland wurdest Du und Deine Familie rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Wird das auch bei der Tour der Fall sein?
Darüber darf ich nicht sprechen. Sie können aber davon ausgehen, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, vor allem, was die Sicherheit betrifft. Absolut fähige Menschen werden sich um dieses Thema kümmern.
Es soll auch ein neues Album erscheinen unter dem Titel „Rex in aeternum – König für immer“. Dein allerletztes Werk?
Das Album wird gegen Mitte/ Ende der Tour erscheinen. Momentan habe ich keine große Pläne für die Zukunft, aber ich lasse mich gern überraschen.
Was hat Dein altes Ego Sonny Black nach einer zwei Jahre anhaltenden Auszeit zu erzählen?
Eine Menge. Vor allem ist er wieder da und hat noch eine Daseinsberechtigung. Es hat sich in meinem Leben viel verändert, worüber ich froh bin.
Ich bin nicht mehr der Typ von 2007. Aber ich verspüre immer wieder den Drang, als Bushido oder Sonny Black Musik zu machen.
Dass mein Alter Ego viel zu berichten weiß, hat man ja im September mitbekommen, als ich „Dark Knight“ veröffentlicht habe. Ich habe mein Handwerkwerk jedenfalls noch nicht verlernt.
„Dark Knight“ ist eine heftige Abrechnung mit Capital Bra. Der wiederum hat in Deiner alten Villa in Kleinmachnow mit „Arkham Asylum“ eine provokante Antwort gedreht. Hat Capital Bra sich da etwas Originelles einfallen lassen?
Nee, überhaupt nicht. Einerseits hat er sich für das Video ja mit meinem Ex-Manager Arafat Abou-Chaker und des- sen Brüdern zusammengetan und diese in seinem Clip auf- tauchen lassen. Man sieht, wie ein Bushido-Double misshandelt wird. Das ist eher uninspirierend und nicht sehr kreativ. Der zweite Coup, den Capital Bra sich erhofft hatte, war, dass er ein paar Stories in meinem ehemaligen Haus in Kleinmachnow gedreht hat. Das hat mich beides nicht gejuckt. Bra hat mit meilenweitem Abstand verloren in diesem direkten Battle. Darauf bin ich stolz, denn Capital Bra – egal wie sehr ihn ihn hasse, war wirklich einer der erfolgreichsten Musiker in Deutschland. Um gegen so einen zu gewinnen, muss man schon echt gut sein. Das war auch der Startschuss für meine Tour.
Hast Du die neuen Songs in Dubai produziert?
Nein, Dubai ist nicht für Musikproduktionen geschaffen. Natürlich habe ich hier Ideen gesammelt und ein bisschen gearbeitet, aber ich bin in Dubai nicht ins Studio gegangen. Das will ich auch nicht. Ich finde Dubai gerade so schön, dass ich mir hier keine Bleigewichte an die Füße hängen will. Meine Musik habe ich in Deutschland produziert, das hat gut funktioniert. Ich bin ein eher untypischer Rapper und genieße die Zeit, in der ich nichts mit Musik zu tun habe. Mir ist wichtig, dass meine Kinder ganz normal aufwachsen und nicht zu verwöhnten Snobs werden. Das ist sehr schwierig in Dubai, aber meine Frau und ich geben unser Bestes.
Gibt es in Dubai Rap- und Popmusik?
Ich glaube, die Emiratis machen keinen Rap. Jedenfalls habe ich davon noch nichts mitbekommen. Es gibt hier aber viele Popkonzerte. In der Coca Cola Arena spielen alle großen Künstler von Jay-Z bis Beyonce.
Du hast Dich sich als Fan von der Reality-Show „Das Sommerhaus der Stars“ geoutet und gesagt, Du würdest da gern selber rein. War das ernst gemeint?
Dass ich einer der größten Fans von „Sommerhaus der Stars bin“ ist ernst gemeint. Wenn mir das Haus morgen offen stehen und meine Frau einverstanden wäre, würde ich da aus Jux und Dollerei hingehen. Aber sie ist komplett dagegen. Ich weiß auch, dass ich mich als Bushido darauf nicht einlassen sollte. Die Menschen, die da mitmachen, sind nicht auf dem gleichen Niveau wie ich. Aber das Voyerismus- Prinzip finde ich sehr unterhaltsam.
Du sollst aber bald wieder im Fernsehen zu sehen sein: In „Back On Track – Neuanfang mit Bushido“ willst Du Menschen helfen, einen Neuanfang zu wagen. Ist das korrekt?
Ich war eine Zeit lang in Deutschland und habe dort an etwas gearbeitet. Bis zur Freigabe darf ich darüber aber nicht sprechen.
Der Rechtsstreit zwischen Dir und Deinem Ex-Manager Arafat Abou-Chaker um Einnahmen in Millionenhöhe geht weiter, weil Dein früherer Geschäftspartner ein Urteil des Landgerichts Berlin nicht akzeptiert und Berufung dagegen eingelegt hat. Hattest Du damit gerechnet?
Na klar. So ist das deutsche Rechtssystem halt gestrickt. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn jemand in der ersten Instanz nicht das bekommt, was er sich erhofft, ist es sehr wahrscheinlich, dass er in Berufung geht. Diese auch zuzulassen ist eine andere Geschichte. Ich bin erstaunt darüber, wie viele Journalisten, von denen ich erwarten würde, dass sie gut informiert sind, falsch berichten. Denn nicht das Kammergericht würde diese Berufung durch- führen, sondern es hat lediglich über deren Zulassung zu entscheiden. Wenn es Arafat Abou-Chakers Antrag geprüft hat und ihn ablehnt, ist das Ding durch. Ließe das Gericht ihn zu, geht der Prozess an die nächst höhere Instanz, also an das Oberlandesgericht.
Arafat Abou-Chaker hat sich in der Zeit als Ihr Manager verhalten, als wärst Du sein Eigentum. Wie konntest Du als erfolgreicher, selbstbewusster Künstler dergleichen überhaupt zulassen?
Diese Frage habe ich mir selber gestellt. Diese Themen bespreche ich in meiner Therapie, weil ich verstehen möchte, was da passiert ist. Ich möchte es abhaken können, um nie wieder denselben Fehler zu begehen. Diesen Widerspruch in sich konnte anfangs auch die Behörde nicht so richtig glauben:
Wie konnte Bushido als relativ selbstbewusster Künstler so beherrscht werden von dieser Person?
Es ist aber tatsächlich so passiert! Ich bin jetzt dabei, das alles aufzuarbeiten und habe schon einige Ansätze gefunden, aber das würde den Rah- men dieses Interviews sprengen.
Öffentlich darüber zu sprechen,dassmanals Rapper in Therapie ist, kostet sicher Mut.
Viele in der Szene haben sich darüber lustig gemacht, dass ich unter Personenschutz stehe. Dass die „Fick die Polizei“- Attitüde nicht mehr greifen darf, weil ich sozusagen mit dem LKA unterwegs bin. Aber das sind solche Kleingeister! Das sind dieselben Leute, die gesagt haben, meine Karriere sei zu Ende. Aber jetzt spiele ich eine ausverkaufte Arena-Tour. Das ist ein Stück weit Genugtuung. Ich glaube an Karma, ich halte mich mit Kleingeistern nicht auf. Die positive Resonanz, auf Tour zu gehen, viel Geld zu verdienen, das Wetter in Dubai, meine Kinder, meine Frau – das ist alles so schön! Alles andere ist mir egal.
Olaf Neumann