„Alle meine Filme sind sehr persönlich!“
Nun präsentiert Til Schweiger als Regisseur und Hauptdarsteller die Tragikomödie „Die Rettung“. Seinen Filmsohn spielt Jungstar Emilio Sakraya.
Gleich zum Auftakt tönt wieder eine amerikanische Polizei-Sirene. Gerät das zu Deinem Markenzeichen?
Meine Polizei klingt schon seit „Knockin’ on Heaven’s Door“ amerikanisch, weil sich das besser anhört als das deutsche Tatüü-Tatüü. Wie ich gelesen habe, will die EU diese Sirene demnächst einheitlich einführen. Wenn das passiert, sind wir ähnlich Trendsetter wie mit der Polizei-Uniform, die bei uns schon lange alle schwarz sind, weil das einfach viel besser aussieht.
In einer Szene soll eine Psychologin im Interview erklären, was bipolar bedeutet. Doch ständig wird die Aufnahme verpatzt – stand dabei der „Lottogewinner“ von Loriot für Sie Pate?
Wer würde sich ernsthaft mit Loriot messen wollen? Tatsächlich ist das einer meiner Lieblingsszenen im Film. Für die ich übrigens ziemlich kämpfen musste. Bei meinem Verleih war man der Meinung, diese komische Einlage würde die Ernsthaftigkeit des Themas zerstören. Das sehe ich jedoch ganz anders.
Wie findet man die richtige Balance bei heiklen Themen?
Als mir meine Tochter Emma aber von ihrer Freundin erzählte, die bipolar ist, habe ich mehr Zugang zu dem Thema erhalten. Sie erzählte, die Krankheit komme in Schüben, es sein ein Gefühl wie in der Achterbahn. Achterbahn gefiel mir, das klingt wie „Knockin’“ und „Honig“. Die Kudos gehen also an Emma. Im Vorfeld habe ich viel über das Thema Bipolarität gelesen. Hilfreich war zudem, dass mein Koautor Lo Malinke diese Krankheit aus seinem familiären Umfeld seit über 20 Jahren kennt und deshalb sehr genau weiß, wovon er da redet.
Was hat es mit dem Titel auf sich?
Den Titel hat sich Lo ausgedacht. Ich fand ihn von Anfang an sehr poetisch und schön. Unser Held Paul wurde irgendwann mit dieser Krankheit diagnostiziert, die bei den meisten Menschen erst im jugendlichen Alter ausbricht. Der Titel steht für die Hoffnung, an den Punkt vor der Krankheit zurückzukommen. Das geht natürlich nicht, bipolare Störungen sind nicht heilbar. Aber sie sind behandelbar, wenn man sich Hilfe holt und sie zulässt.
Gerät das Zulassen von Hilfe zum großen Problem?
Diese Erfahrung habe ich jedenfalls mit den Reaktionen auf „Honig im Kopf“ gemacht. In ganz vielen Zuschriften stand: „Warum hast du diesen Film nicht früher gemacht? Dann wäre ich mit meinem Vater oder meiner Oma viel verständnisvoller umgegangen. Ich hätte nicht ‚Du spinnst doch’ gesagt, sondern versucht, in ihre Welt zu blicken.“ Solche Reaktionen würde ich mir auch für diesen Film sehr wünschen.
Wenn Sie in der Szene mit Herbert Knaup Ihre Vatergefühle offen legen, bekommt man den Eindruck eines sehr persönlichen Filmes…
Alle meine Filme sind sehr persönlich! In „Zweiohrkücken“ habe ich auf witzige Weise meine gescheiterte Ehe behandelt. Für „Kokowääh“ standen enge Freunde von mir Pate. Selbst in „Klassentreffen“ stecken viele eigenen Erfahrungen Dinge von mir drin.
Wie viel Til steckt in Hardy, Ihrer Figur?
Darin steckt viel Til, weil ich Hardy ja spiele! Hätte Heino Ferch die Rolle gespielt, hätte viel Heino in Hardy gesteckt.
Als Matthias Schweighöfer in „Zweiohrküken“ in der fremden Wohnung auf der Toilette sitzt, fehlt das Wasser im Spülkasten. Diesmal gibt es kein Klopapier. Ist der Furzhumor eine sichere Nummer?
Mit solch einer Situation kann jeder mitfühlen. Nicht jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, einen dementen Opa oder einen bipolaren Freund zu haben. Aber jeder kennt die Peinlichkeit, wenn jemand zum unpassendsten Moment einen fahren lässt. Das ist jedem schon passiert, entsprechend gut funktioniert das auch im Kino. Gerade bei einem so schweren Stoff braucht es Szenen, in denen das Publikum herzlich lachen kann. Die hoffnungsvolle Aussage lautet schließlich: Du bist nicht alleine als Betroffener, du bist auch als Familie nicht alleine. Es gibt 1,5 Millionen Menschen, die unter dieser Krankheit leiden – nach den letzten achtzehn Monaten dürften es vermutlich sehr viel mehr sein. Es gibt keine Heilung, aber es gibt Hilfe.
Ihr Filmsohn Paul wird von Emilio Sakraya gespielt – was macht dessen Qualitäten aus?
Emilio hat nicht nur alle Stunts selbst gemacht, sondern er überzeugt als großartiger Schauspieler. Nachdem Fatih Akin meinen Film gesehen hat, war er so begeistert von Emilio, dass er ihn für sein nächstes Projekt besetzt hat und meinte: ‚Emilio ist gekommen, um Elyas M’Barek in Rente zu schicken!’ – womit Fatih völlig recht hat.
Dieter Oßwald