DER LETZTE AN DER BAR
Gedanken am Tresen des Lebens
von Henning Wehland
#4 – Der Affe und ich
„… ich bin ganz ehrlich, heute Morgen war nicht ganz so mein Tag …“ (aus dem Song „Der Affe und ich“)
Es gibt sie, diese Songs und Texte, die sich in Minuten schreiben lassen.
„Der Affe und ich“ ist so ein Titel.
Meine Freunde, die die Musik produziert und geschrieben haben, riefen eines Tages an und sagten: „Henning, du kannst in einer Stunde vorbeikommen.“
Ich hatte noch keine Zeile auf dem Papier und musste mich inspirieren lassen.
Und zwar schnell. Zum Glück war uns ein paar Tage zuvor ein kleiner Chihuahua-Mischling zugelaufen – Tony!
Ich stand in der Küche und starrte den Hund eine halbe Stunde lang an.
Plötzlich war die Idee zum Refrain da. Tony ist natürlich kein Affe, aber „Der Chihuahua und ich“ hätte sich blöd angehört.
Die Reaktionen auf den Song sind immer die gleichen: Nach kürzester Zeit kann jeder den Refrain mitsingen und manche Feinheiten fallen unter den Tresen …
Fast jeder kennt das: Man wacht morgens auf und nimmt sich fest vor sein Leben zu ändern. „Nie wieder Alkohol“, „viel Sport“, „früh schlafen gehen“ … und abends steht man wieder als erster auf dem Tresen und alle guten Vorsätze sind dahin.
Der Affe auf meiner Schulter symbolisiert Engelchen und Teufelchen.
Ich habe mich schon oft dabei ertappt, wie ich mir meine Wahrheit zurechtbiege und Kompromisse schließe, mit denen ich mich eigentlich nicht identifizieren kann.
Zum Beispiel hasse ich die Tatsache, dass wir unseren Planeten mit Plastik zumüllen und trotzdem kaufe ich immer wieder Produkte, die mit sinnlos viel Verpackung angeboten werden.
Der Affe auf meiner Schulter ist ein Begleiter, der mir meine teilweise vorhandene Doppelmoral vor Augen hält.
Nicht selten muss ich schmunzeln, weil ich mich „ertappt“ habe. Dadurch kann ich meine Einstellung feiner justieren.
Letztes Jahr hat mein Vater zum Beispiel während eines gemeinsamen Wanderurlaubs aus seiner Kindheit erzählt und ich merkte, dass es viel gibt, was ich noch nicht von ihm wusste.
Außerdem habe ich erkannt, dass es ihm guttat über manche Geschichten zu sprechen.
Deshalb riet ich ihm, er solle es doch aufschreiben.
Vor ein paar Tagen, habe ich auf seinem Schreibtisch ein paar Notizen entdeckt, die darauf schließen lassen, dass er mit dem Schreiben begonnen hat …
Auch durch das Schreiben dieser Kolumne merke ich, welch großes Glück ich habe, diese Gedanken aufschreiben und teilen zu können.
Oft weiß ich dann mein bisheriges Leben mehr zu schätzen.
Ihr solltet das auch mal probieren!