FILMTIPPS IM SEPTEMBER:
OXMOX hat für euch die besten und schlechtesten Filme des Monats herausgesucht!
Herr Bachmann und seine Klasse
Fast vier Stunden Doku über eine Schulklasse perspektivloser Kids – wer will das sehen? Doch dann die ganz große Überraschung: Diese Dokumentation bietet mehr Wow-Effekte, mehr Komik und Tragödie als so manche Hollywood-Produktion. Kaum ein Festival-Film wurde je so unisono gefeiert wie dieser Berlinale-Beitrag, Jury-Bär samt Publikums-Preis – besser geht kaum! Mit viel Empathie und robuster Distanz gleichermaßen erzählt Regisseurin Maria Speth die Geschichte des titelgebenden Pädagogen. Der Sonderling, kurz vor der Pensionierung, unterrichtet an einer Gesamtschule in der hessischen Provinz. Die 12- bis 14-Jährigen seiner Klasse kommen aus unterschiedlichen Ländern. Bisweilen verzweifelt, doch letztlich zufrieden mit den Früchten seiner Arbeit – und erstaunlich schnell wird man vertraut mit den Figuren. Der Angeber. Die Schüchterne. Der Schwätzer. Zum Liebling avanciert die religiöse Ferhan, die stets mit Kopftuch erscheint – und darunter gerne weg döst. Lächerlich gemacht wird hier niemand, selbst homophobe Sprüche werden ernstgenommen – und gerade da- durch umso wirkungsvoller gekontert. Mit einem bewegenden Happy End entlässt diese zauberhafte Doku ihr Publikum. Ein bisschen von John Lennons „Imagine“ schimmert über dem Abspann. Der wichtigste, witzigste und wertvollste deutsche Film in diesem Jahr.
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Der wohl entspannteste Regisseur der Republik zaubert einen Berg erfrischend
famoser Ideen, mit dem der Klassiker mit der notwendigen Respektlosigkeit entstaubt wird. „Wenn man arm ist, darf man sich unter keinen Umständen an die Armut gewöhnen.“ Als „philosophische Komödie“ beschreibt Buck seinen jüngsten Streich. Tatsächlich geht es um Sein und Schein, um den Luxus, das große Fressen und die Moral. All das präsentiert sich mit vergnüglicher Leichtigkeit.
Curveball
Stell dir vor es ist Krieg, und alles, wegen einer Fälschung der Geheimdienste. Diese Geschichte, und es handelt sich um eine wahre Story, erzählt Regietalent Johannes Naber in dieser grandiosen Politsatire. Anno 1999 hofft der BND, von einem Asylbewerber Beweise für biologische Waffen im Irak zu bekommen, schließlich lockt ein deutscher Pass. Außenminister Colin Powell präsentiert vor der UN die Fälschung als Grund für einen Angriff auf den Irak – und Joschka Fischer schweigt dazu. „Der damalige Kanzleramtschef ist heute Bundespräsident“, meldet der Nachspann nüchtern. Komödien-Coup.
Fantastische Pilze
Willkommen im Reich der Mykologie. Atemberaubend: Mehr als 3,8 Millionen Spezies von Pilzen existieren. Unter jedem Schritt im Wald finden sich 500 Kilometer Pilzfäden, mit jedem Atemzug nehmen wir 10 Sporen auf. Manche Pilze leuchten grün in der Nacht, ein Hallimasch aus Oregon hält einsamen Weltrekord: sein Gewicht wird auf 600 Tonnen geschätzt, das Alter auf gut 2.000 Jahre. Zum Staunen bietet sich reichlich Gelegenheit in dieser Doku, auch visuell verblüfft dieses cineastische Pilzgericht mit famosen Bildern. Regisseur Louie Schwartzberg gilt als Zeitraffer-Pionier, der bereits vor 40 Jahren auf 35 Millimeter mit dieser Technik begann. Wenn der Löwenmähnen-Pilz es schafft, Nerven nachwachsen zu lassen, könnte das zu einer Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer werden? Das Füllhorn des Wissens gerät derart üppig, dass jenes Buch zum Film von Paul Stamets als eine sinnvolle Ergänzung erscheint. Das große Staunen gibt es freilich nur auf der großen Leinwand.
Now
„How dare you!“ Sechs junge Klima-Rebellen porträtiert Promi-Fotograf Jim Rakete. Zu viele Talking Heads, die auf Dauer ermüden. Sie hübsch vor Bäumen aufzustellen, als wären es Hochzeitsbilder, hilft nur wenig. Zu allem Überfluss holt der Promi-Fotograf unnötige Promis ins Boot. Wim Wenders rollt auf dem Fahrrad ins Bild und darf in Erinnerungen schwelgen. „Ich kenne das Gefühl. Auch ich habe Straßen blockiert“, lässt er wissen. Als Kind hatte er ein Buch mit Zeichnungen von Schmetterlingen, die er selbst gesehen habe. Dann folgt wieder ein Greta Gottesdienst und noch einer und noch einer und noch einer. Oberflächlicher geht es kaum. Warum Heiko Maas zum Finale noch seine belanglosen Phrasen absetzen darf, hängt wohl damit zusammen, dass der Star-Fotograf ziemlich dick mit der SPD verbandelt ist. Noch vor kurzem hat Jim Rakete mit Werbefilmen für Autos viel Geld verdient, nun springt er auf den „Fridays for Future“Zug auf–„How Dare You!“.
Dieter Oßwald