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OXMOX History: 70 panische Jahre – UDO LINDENBERG

Hallöchen”, da ist er wieder. Oft parodiert, nie erreicht. „Ich habe das Privileg, dass ich seit meinem 27. Lebensjahr nur noch ich sel­bst sein darf. Niemandem verantwortlich, von keinem vereinnahmt. Von Beruf: Udo Linden­berg.” Als zweites von vier Geschwistern kommt Udo am 17. Mai 1946 in Gro­nau/Westfalen zur Welt (OXMOX gratuliert diesen Monat zum 70. Geburtstag). Von dort bis zur Suite im legendären Hamburger Hotel Atlantic sind es noch 300 Kilometer – und ein halbes Künstlerleben …

Erste musikalische Erfahrungen sammelt Klein-Lindi wenn Papa Gustav spät nachts betrunken aus der Kneipe kommt, Mutter Hermine die Kinder aus den Betten holt, Webers´ „Ave Maria” auflegt und der Vater zu dirigieren beginnt. Dem „kleinen Matz” dämmert, „dass hinter dem Wahn zerstörtes Genie steckt, und dass seine Gene auch mei­ne sind”. So nimmt die Künstler-Karriere ihr­en Lauf. Nach scheppernden Versuchen auf Benzinfässern, trommelt das 11-jährige Wun­derkind bei der Old Time Jazzband. Ein Jahr später gibt´s das erste eigene Schlagzeug und vier Jahre darauf beginnt Udo eine Kell­nerlehre im Düsseldorfer Hotel Breidenba­cher Hof. Die Kollegen rufen ihn „Nerven­berg”, und den jungen Lehrling locken nach Feierabend die vielen Jazzkeller, in denen er ab und zu den Reserve-Schlagzeuger gibt. Als die Reize des Musikerlebens immer grö­ßer werden, inszeniert der angehende Panik­präsident seinen Rauswurf und platziert – der Legende nach – eine Ladung Sauce Béar­naise auf dem Sonntagsanzug des Honorar­konsuls der Fidschi-Inseln.

Lindi reist nach Afrika, wo er auf einem US-Luftwaffenstützpunkt an sechs Abenden pro Woche für gefrustete GIs spielt. Die Angst vor dem Alleinsein ertränkt der 17-Jährige mit Whisky pur, bis ihm der Unterstabsarzt „blutverdünnten Alkohol aus der brüchigen Vene zapft” und den Nachwuchs-Rockstar zurück in die Heimat schickt. Lindenberg schließt sich der Beat-Gruppe Mustangs an und lernt seinen langjährigen musikalischen Partner „Steffi” Stephan (68) kennen, mit dem er ein Studium an der Musikhochschule beginnt. Nachdem Udo beim Bund erfolgrei­ch den „Totalausfall” inszeniert, strandet er am Freitag, den 13. Dezember 1968 vor dem Atlantic in Hamburg. „Ich saß tatsächlich hier vor dem Hotel. Mit Zwanzig, auf der Wiese. Keine Ahnung, was abgehen wird. Hierher getrampt, Buddel Doppelkorn dabei, leicht breit, auf das Schloss hinauf geguckt und für mich beschlossen, hier werde ich künftig wohnen. In der Präsidentensuite.”

Sein erstes Engagement als Profischlagzeuger erhält Lindenberg bei der Folklore-Truppe City Preachers. Nachdem die Band getren­nte Wege geht, trommelt Udo wie besessen – unter anderem mit Jazz-Größe Klaus Dol­dinger (79) und für die bis heute aktuelle Ti­telmelodie vom Tatort”. Doch der Junge aus Gronau will weg aus der hinteren Reihe, „da wird man nie ordentlich ausgeleuchtet”, und veröffentlicht unter dem Titel „Linden­berg” sein englischsprachiges Debüt. Die Platte floppt mit nur 700 verkauften Exem­plaren und Udo entwickelt sein „Strategiepa­pier für den Weg vom Gully zum Gipfel”: Oberlippe hoch, Unterlippe nach vorn, schmale Krawatte, enge Lederhose, schluffi­ger Gang und schnodderige, deutsche Texte („Lindianisch”). So wirft der angehende Deutsch-Rock-Poet die LP „Daumen Im Wind” auf den Markt. Nur ein Jahr später – lange vor der Neuen Deutschen Welle – ma­cht Udo „Alles Klar, Auf Der Andrea Do­ria”.100.000 Exemplare der Platte wandern über die Ladentische und der schüchterne Junge aus der Westfälischen Provinz steckt seinen ersten Millionenvertrag in die Tasche.

Noch ohne Hut, dafür mit Panikorchester, geht Lindenberg auf Tour und inszeniert 1978 mit dem Theaterregisseur Peter Zadek die – täglich 70.000 Mark für Ausstattung und Statisten verschlingende – Dröhnland Symphonie”. „Panische Zeiten” brechen an, als der erste Lindenberg-Spielfilm 1980 sei­ne Premiere feiert. In der Hauptrolle Udo L. – mal als entführter Rockstar, mal als Detek­tiv Carl Coolmann. Nach der Veröffentlich­ung des gleichnamigen Albums geht es unter dem Motto „Die Heizer Kommen” mit Helen Schneider (63) als Special Guest auf Deut­schland-Tour. Ein Jahr später weht es „Lind­stärke 10”. Udo kalauert: „Ey Honey, ich sing für wenig Money. Im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst …” Siehe da, nach der Jubiläumsfeier zum 10-jährigen Bestehen des Panikorchesters vor 22.000 Zuschauern auf der ausverkauften Berliner Waldbühne, fährt Lindenberg mit dem „Sonderzug Nach Pan­kow”, um im Rahmen einer Friedensveran­staltung ein Konzert mit Harry Belafonte (89) im Palast der Republik zu spielen. „Weg mit dem Raketenschrott – in der Bun­desrepublik und in der DDR”, tönt Udo vor laufenden Kameras und bereitet seiner ge­planten DDR-Tournee ein jähes Ende. Der Polit-Rocker macht sich mit Musikerkollegen an die Aufnahmen für die Afrika-Singles „Nackt Im Wind” und „Grüne Mauer”. Au­ßerdem beteiligt sich Lindenberg am „Live Aid”, spielt Konzerte bei den „Weltjugend­festspielen” in Moskau und wird in seinem Bemühen um die Verständigung zwischen Ost und West nicht müde. 1987 schickt er ei­nen offenen Brief und eine Lederjacke an Erich Honecker, und überreicht dem DDR-Staatschef bei dessen Besuch in der Bundes­republik eine Gitarre mit der Aufschrift „Git­arren statt Knarren”. Honecker guckt ge­quält, und Udo wird im November 1989 von Berlins regierendem Bürgermeister Walter Momper, im Namen des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, das Bundestver­dienstkreuz verliehen. „Ohne mein Lied”, ist der Polit-Künstler überzeugt, „würde die Mauer heute noch stehen”.

Ein weiterer Höhepunkt der 80er ist Udo´s Romanze mit der „Trallala-Prinzessin” Ne­na (56). Die beiden beginnen ihre geheime Liaison am Hamburger Flughafen, wo sie sich zufällig begegnen. Lindi fordert 100-prozentige Treue, wenn ihn „der vergiftete Liebespfeil” trifft. 10.000 Mark vertelefonier­en der Rocker und die Pop-Prinzessin, wäh­rend Nena mit „99 Luftballons” durch Asien tourt. Es ist „ein Wunder, dass die Wahnsin­ns-Romanze ein halbes Jahr brannte”, so Lindenberg. Ansonsten gibt es nur „Dramen mit den Damen”: Seine erste Nacht erlebt der Jungspund standesgemäß exotisch in einem Puff in Tripolis, gefolgt von Udo´s großer Liebe Manu aus Ost-Berlin, die sich als Sta­si-Spionin entpuppt. „Nach etwa 748 Frau­en”, wirbelt Lindenberg durch seine Affäre mit dem Travestie-Star Romy Haag (68) or­dentlich Staub auf. „Sie war von charman­tem, drittem Geschlecht. Ich hab da so´n bis­schen Neugier zugelassen”, gesteht der Ro­cker. Haarsträubend geht es zu, als es Lin­denberg nach Rio verschlägt, in die Arme der rassigen Rosa. Diese ringt ihm – so heißt es – vor einem Voodoo-Priester das Ehever­sprechen ab. Wieder bei klarem Verstand flieht Udo über den Ozean, bis Rosa plötz­lich vor seiner Hotelzimmertür steht, und den Kopf des Sängers mit einem Messer malträ­tiert. „Nachdem ich mit dutzenden Stichen zusammengenäht wurde, habe ich meinen Hut aufgesetzt und nie wieder abgenom­men.” Heute lebt der Panikrocker gemein­sam mit seiner Herzensfreundin, der Fotogra­fin Tine Acke (39). Die letzte Wahrheit ist, „dass ich allein meiner Karriere gehöre – und meinen Fans. Leider kann keine Frau das Recht auf Alleinbesitz beanspruchen.”

Neben dem Ruhm ist der Rum stärkster Kon­kurrent, wenn es um das Seelenheil des „Ex­zessors” Lindenberg geht: Mit 4,7 Promille im Krankenhaus zu landen, nachdem sich der Rocker in seiner Garderobe anstatt der übli­chen fünf Underberg an einer ganzen Fla­sche Absinth versucht, kann vorkommen. Der Panikpräsident steckt in der Krise: „Ein Teeniestar mit Gummihose und Rolle rück­wärts konnte ich nicht mehr sein, und für den weisen Rock-Chansonnier war ich noch zu jung.” Ein weiterer Schlag ereilt ihn, als sei­ne langjährige musikalische Weggefährtin Gabi Blitz an einer Überdosis stirbt. Ihr wid­met er „Hinter Dem Horizont” – und macht Anstalten, ihr nachzufolgen. Hundert Zigaret­ten und zwei Flaschen Whisky am Tag „um die goldene Kugel im Hals zu ölen”, fordern ihren Tribut: Mit 43 Jahren erleidet Udo ei­nen Herzinfarkt.

Der Unverwüstliche mit dem Hut feiert 1994 sein 25-jähriges Bühnenjubiläum und gibt im Folgejahr sein Debüt als Maler (erste Veröf­fentlichung im OXMOX). Der Sänger krit­zelt auf Bierdeckeln in Kneipen, „und ir­gendwann kippt ein Likörglas auf mein Bi­ld.” Das Likörell” ist geboren! So nennt Lindenberg seine Zeichnungen, die er mit farbigem Likör verfeinert und die es statt für ca. 700-1.000 Euro auch schon mal für nur 15,- Euro als Download auf Udo´s Home­page gibt. 2003 startet die „Atlantic Affai­rs”-Tour und am 3. Oktober fährt der bunt bemalte „Sonderzug” mit 13 Waggons von Berlin nach Magdeburg, wo die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit stattfinden. Udo steht u. a. mit Nena, Peter Maffay (66) und Nina Hagen (61) auf der Bühne, die ihn teilweise auch 2004 beim „Aufmarsch der Giganten” begleiten.

2008 meldet sich Lindenberg zurück und ist „Stark Wie Zwei”. 62 Jahre hat er gebrau­cht, um „den Udo” zu perfektionieren und mit seinem 40. Album, dem ersten seit acht Jahren, einen großen Wurf zu landen. Mit Produzent Andreas Herbig (Sasha, Silber­mond etc.) zaubert Udo 14 Songperlen aus dem Hut. Und knapp zwei Jahre später noch mehr: Die Linde rauscht beim MTV-Un­plugged. Unter dem Titel Live Aus Dem Hotel Atlantic”, aufgezeichnet in der Kultur­fabrik Kampnagel. Mit Stars wie Clueso („Cello”), Inga Humpe („Ein Herz Kann Man Nicht Reparieren”) oder Jan Delay („Reeperbahn”) zieht der Hamburger den Stecker und erobert die Spitze der Charts. 2011 läuft das Lindenberg-Musical „Hin­term Horizont” im Theater am Potsdamer Platz in Berlin an (noch bis Ende August 2016 zu sehen).

Dass der Panikrocker ein echtes Wahrzeich­en ist, zeigt sich bei Lindenbergs gefeierter, von OXMOX präsentierter Arena-Tour 2012 sowie der im selben Jahr stattfindenden Ent­hüllung eines Udo Lindenberg-Denkmals am Timmendorfer Strand. Direkt in den Dü­nen, unweit der Seebrücke, steht er – als be­liebtes Foto-Motiv und als Dank der Gemein­de, die Lindenberg seit Jahrzehnten regelmä­ßig zum Arbeiten und Erholen besucht. Wenn der Panikpräsident nicht gerade, wie zuletzt 2014, mit dem Rockliner auf Kurzkreuzfahrt in See sticht. Hier entstanden eventuell auch einige der neuen, zum Großteil bis Redak­tionsschluss noch streng geheimen Songs des aktuellen Albums „Stärker Als Die Zeit”, das am 29. April veröffentlicht wird. Auf dem neuen Silberling und der kommenden Konzertreise (OXMOX präsentiert die Show am 11. Juni im Volksparstadion) stehen Udo bewährte Begleiter zur Seite: Das Pa­nikorchester (offizielles Gründungsdatum: 13. August 1973), aktuell bestehend aus „Steffi” Stephan (B., Git., hat einen Sohn, Marvin Lindenberg, der aus einer Bezieh­ung zu Udo´s Schwester stammt), Jean-Ja­ques Kravetz (Klav.), Betram Engel (Dr.), Hannes „Feuer” Bauer (Git.), Hendrik Schaper (Key., Klav.) und Jörg Sander (Git.). Der Panikpräsident ist fest entschlos­sen, den „Mythos vom Mann mit dem Hut” noch lange am Leben zu erhalten!

OXMOX verlost Tickets für das Konzert am 11. Juni im Hamburger Volksparkstadion! Klebeschnipp: Lindenberg

Diskografie (Studio- & Live-Alben):

1971 – Lindenberg

1972 – Daumen Im Wind

1973 – Alles Klar Auf Der Andrea Doria

1974 – Ball Pompös

1975 – Votan Wahnwitz

1975 – Galaxo Gang – Das Sind Die Herrn Vom Andern Stern

1976 – Panik Udo / No Panic On The Titanic

1976 – Sister King Kong

1977 – Panische Nächte

1977 – Lindenbergs Rock Revue

1978 – Dröhnland Symphonie

1979 – Der Detektiv – Rock Revue 2

1979 – Livehaftig

1980 – Panische Zeiten

1981 – Udopia

1982 – Keule

1982 – Intensivstationen

1983 – Odyssee

1983 – Lindstärke 10

1984 – Götterhämmerung

1984 – Sündenknall

1985 – Radio Eriwahn Präsentiert Udo Lindenberg + Panikorchester

1985 – Phönix

1987 – Feuerland

1988 – Hermine

1988 – CasaNova

1989 – Bunte Republik Deutschland

1989 – Ich Will Dich Haben

1991 – Gustav

1992 – Panik-Panther

1993 – Benjamin

1995 – Kosmos

1996 – Und Ewig Rauscht Die Linde

1997 – Belcanto

1998 – Zeitmaschine

2000 – Der Exzessor

2001 – Ich Schwöre! – Das Volle Programm

2002 – Atlantic Affairs

2008 – Stark Wie Zwei

2008 – Stark Wie Zwei – Live

2011 – MTV Unplugged – Live Aus Dem Hotel Atlantic

2013 – Ich Mach Mein Ding – Die Show

2016 – Stärker Als Die Zeit

Fotos: Tine Acke

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