OXMOX-History – Nr. 97
BOB MARLEY
SANFTER REVOLUTIONÄR
Bob Marley war der erste Superstar der Reggae-Musik.
Er glaubte, dass „das Kraut“ wichtig für die Welt ist und gibt heute einer Cannabis-Marke sinen Namen.
Er ist nur 36 Jahre alt geworden. Aber Bob Marleys Einfluss hatte die Wucht einer Kulturrevolution. Weltweit gilt er als eine der ganz großen Musikikonen und als einer der wichtigsten Kämpfer gegen den Rassismus neben Nelson Mandela und Martin Luther King.
»Marley, dessen Songs von Frieden und Gerechtigkeit handeln, verfolgte Zeit seines Lebens die Vision eines vereinten Afrika.
Und seine Stimme hatte Gewicht. In den 1970ern war er einer der ersten Musiker, der die westliche Welt über die Lage des Schwarzen Kontinents aufklärte.
Robert „Bob“ Nesta Marley
kommt am 6. Februar 1945 in Rhoden Hall auf Jamaika zur Welt. Er ist zwar der Sohn eines britischen Offiziers, doch fühlt er sich in erster Linie mit seinen afrikanischen Wurzeln verbunden. Robert wächst bei der Mutter in bescheidenen Verhältnissen auf, treibt sich in den Armenvierteln von Kingston herum. Um nicht von den schulischen Einrichtungen des Ghettos beeinflusst zu werden, in denen Kinder oft zu kriminellen, gewalttätigen „Rude Boys“ heranwachsen, kommt der Zehnjährige in eine Privatschule.
Ein Transistorradio ist seine einzige Ablenkung vom eintönigen Alltag. Robert wird zum Fan amerikanischer Rhythm & Blues-Musik. Bereits mit 16 Jahren bringt er die Debütsingle „Judge Not“ heraus. Ein Jahr später trommelt er die bis heute legendäre erste Besetzung der Band The Wailers zusammen. Deren erste Single „Simmer Down“, eine Aufforderung an die Gangs im Ghetto, Ruhe zu bewahren, wird ein Nummer- 1-Hit.
Der Besuch von Haile Selassi Ras Tafari 1966 in Jamaika ist für Marley ein Erweckungserlebnis. Der äthiopische Kaiser gilt als Begründer der Rastafari-Bewegung. Selassie gilt seinen Anhängern als eine in der Bibel angekündigte Wiederkehr Jesu Christi. Rastas haben sich zudem dem Kampf für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung verschrieben.
Bob Marley trägt jetzt lange Dreadlocks, entdeckt seine spirituelle Ader und ernährt sich rein vegetarisch. Marihuana ist ihm als Heilkraut und Meditationsmittel unverzichtbar.
Er musiziert von Anfang an mit charismatischen Figuren wie Peter Tosh († 1987) und Bunny Wailer († 2021).
Der jamaikanische Producer Lee „Scratch“ Perry verkauft die Bänder der frühen Marley-Alben an windige Plattenfirmen. Erst mit dem Wechsel zum renommierten Island- Label des Briten Chris Blackwell wendet sich 1973 das Blatt für Marley, dessen Musik eine Mischung aus west- indischer Folklore, Rockabilly-Klängen und Afro-Beats mit Soul-Techniken ist. Blackwell bringt eines der erste Reggae-Alben überhaupt auf den Weg: Bob Marley & The Wailers’ „Catch A Fire“ hat zwar nur 8000 Dollar gekostet, die poetischen Texte und die meditativen Rhythmen schlagen dennoch ein wie eine Bombe.
Der Produzent Blackwell vermittelt den Titel „Stir It Up“ an den populären US-Sänger Johnny Nash, der daraus einen Pophit macht. „I Shot The Sheriff“, eine andere markante Marley-Nummer, beschert Eric Clapton 1974 einen seiner größten Erfolge überhaupt. Aufgemischt mit westlichen Popelementen, klingen die Kompositionen des Reggae-Artisten immer eingängiger und rhythmusbetonter.
Dank kämpferischer Songs wie „Get Up, Stand Up“ eilt Marley der Ruf eines modernen Propheten voraus. In scharfen und bissigen Texten klagt der Sänger und Gitarrist Korruption, Arbeitslosigkeit, Apartheid und religiöse Unterdrückung an. Allerdings singt er über diese ernsten Themen auf eine ganz zarte und anmutige Weise.
Die Aufmerksamkeit der Größten im Popgeschäft ist ihm sicher: Bob Dylan, George Harrison, Ringo Starr und Jack Nicholson sehen sich 1975 im Roxy in Los Angeles den entspannten Auftritt der exotischen Truppe mit der hypnotischen Ausstrahlung an.
»Politischen Sprengstoff enthält das „Smile Jamaica“-Reggae-Konzert vom
5. Dezember 1976 inmitten des jamaikanischen Bürgerkriegs, es soll eigentlich der politischen Gewalt entgegenwirken.
Doch zwei Tage zuvor wird Bob Marley in seinem Haus in Kingston von mehreren Gewehrkugeln verletzt. Zwei Jahre später vermittelt er auf offener Bühne zwischen den bis aufs Blut verfeindeten Politikern Michael Manley und Edward Seaga „CIA“. Ungetrübt der Tatsache, dass Letztgenannter unter dem Verdacht steht, das Attentat auf Marley angezettelt zu haben. Für seinen beispiellosen Versöhnungsakt wird der Sänger mit der Friedensmedaille der Vereinten Nationen ausgezeichnet.
Auf dem Album „Survival“ von 1979 solidarisiert sich der sanfte Revolutionär mit den schwarzafrikanischen Befreiungsorganisationen der Politiker Joshua Nkomo und Robert Mugabe. Im Rahmen der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten des heutigen Simbabwe spielt Marley erstmals Konzerte in Afrika.
»Sein politischer Kampf findet ein jähes Ende, als er im Herbst 1980 schwer an Krebs erkrankt.
In seiner Verzweiflung wendet sich der Musiker an den umstrittenen bayerischen Alternativ-Mediziner Dr. Issels. Die Behandlung bleibt jedoch ohne Erfolg. Bob Marley stirbt am 11. Mai 1981 in einem Hospital in Miami. Vier Jahrezente später ist die Legende lebendiger denn je. Das ehemalige Wohnhaus in der Hope Kings Road 56 in Kingston ist ein hochfrequentiertes Museum. Im Garten ruhen die sterblichen Überreste des Musikers in einem marmornen Mausoleum.
Bob Marleys friedliche Botschaft hat auch Jahrzehnte nach seinem Tod noch einen Einfluss in Regionen, in denen kaum Englisch gesprochen wird. 2008 enthüllen zwei Musiker aus den verfeindeten Ländern Kroatien und Serbien eine Marley-Statue während eines Musikfestivals in dem serbischen Dorf Banatski Sokolac. Das Monument enthält die Inschrift „Bob Marley, Kämpfer für Freiheit, bewaffnet mit einer Gitarre“.
Dank jamaikanischen Künstlern wie Bob Marley gehört die Reggae-Musik heute zum immateriellen UNESCO Kulturerbe der Menschheit und mit dem Namen des Sängers lässt sich auch prima Geld verdienen. Nach dem seine Erben die Kaffee-Marke „Marley Coffee“ erfolgreich eingeführt haben, verkaufen sie mittlerweile auch das Cannabis-Produkt „Marley Natural“ in Gebieten, in denen Marihuana legalisiert ist.
»OneLove«
Das Biopic „Bob Marley: „One Love“ mit dem 37-jährigen Briten Kingsley Ben-Adir in der Titelrolle soll die Kinokassen klingeln lassen. Es ist in Zusammenarbeit mit der Marley-Familie entstanden und dreht sich vor allem um den Aufstieg des Sängers bis hin zum Attentat auf ihn. Und auch die musikalische Leichenfledderei geht weiter.
Gerade ist ein verschollenes Stück aus dem Jahr 1968 als Single veröffentlicht wor- den. „Selassie is the Chapel“ ist eine spirituelle Hommage an Haile Selassie und enthält eine Botschaft der Hoffnung und des Friedens. Kommerz hin oder her: Bob Marley hat uns noch immer etwas zu sagen.
Text: Olaf Neumann
Fotos: LimeLight PR GmbH
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