3 Musiker und keine Roadies
Jetzt hat auch die eigentlich aufgelöste Band The Police einen eigenen TikTok-Kanal gestartet. Anlass ist das 40. Jubiläum ihres Albums „Synchronicity“. Gekrönt durch die „Police Diaries“. Ein klingendes Tagebuch von Stewart Copeland (71) mit Notizen, Fotos, Plakatentwürfen und frühen Demos, von denen einige zu The-Police-Songs wurden.
Stewart Copeland: Ich bin in Kalifornien, hier ist es eigent- lich immer schön. Jedenfalls solange man nicht von einer Klapperschlange gebissen wird, kein Erdbeben ausbricht, kein Waldbrand dein Haus abfackelt und kein Berglöwe dich auffrisst, wenn du eine Rad- tour machst. Ja, es ist wirklich großartig hier.
Du hast die großen Police- Hits für ein Album mit Orchester umgeschrieben. War falsch an ihnen? Braucht es wirklich ein ganzes Orchester, um den Gitarristen Andy Summers zu ersetzen?
Ja, absolut. Sein Verstärkerreg- ler geht natürlich bis elf, aber ich bin sicher, Andy Summers Finger gehen bis 12. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich sie zählen! Seine Akkorde sind so komplex und seine Intonation erfordert eine solche Fingerfertigkeit, dass ich sicher bin: er hat 12 Finger!
Wie kam Andy zu Police?
Es ist rätselhaft für mich, warum Andy, der als Gitarrist auf dem Zenith seines Könnens stand, sich entschloss, sich unserer Band anzuschließen. Sting sagte damals zu mir: „Wir müssen den Kerl kriegen!“ Und ich antwortete: „Nette Idee, aber wir werden diesen Andy niemals bekommen! Wir kön- nen ihn uns nicht leisten und wir haben ihm nichts zu bie- ten.“
Und wie habt Ihr ihn schließlich überredet?
Bei einer zufälligen Begegung auf der Oxford Street sagte Andy zu mir: „Du und dieser Bassist, ich glaube, ihr habt was. Ihr braucht mich in der Gruppe und ich akzeptiere“. Sting und ich haben Pläne ge- schmiedet und nachgedacht – und da war er. Mein Gott!
Der erste Auftritt von The Police fand am 1. März 1977 im Alexander‘s in Newport/ Wales statt, noch mit Henry Padovani an der Gitarre. Sting und Du spieltet da- mals auch in der Band von Cherry Vanilla.
Das ist richtig. Wir haben an diesem Abend für mehrere Sets gespielt. Wir waren die am härtesten arbeitende Rhyth- musgruppe im Showgeschäft. Aber unser Set war nur etwa sechs Minuten lang – mit zehn Songs. Wir waren schnell. Wir waren nur angeheuerte Leute. Als Cherry in London ankam, mietete ich ihr ein Klavier für ihren Pianisten, einen Verstär- ker für ihren Gitarristen und einen Bassisten und Schlag- zeuger für ihre Band – das waren Sting und ich. Der Deal war, dass sie uns bar bezahlt: 15 Pfund pro Nacht plus The Police als Opener ihrer Show. Jede Band hatte zwei Auftritte pro Abend.
1978 traten The Police im le- gendären Punk-Club CBGB‘s in New York auf. Was steht im Tagebuch?
Die Einträge wurden mit der Zeit immer spärlicher. Ich dek- ke zwar die Jahre 1978 und 1979 mit Datumsangaben und Ereignissen ab, aber die eigentlichen Tagebucheinträge habe ich in Amerika nicht fortgesetzt. Wir waren damit beschäftigt, im ganzen Land Shows zu spielen. Zum Bei- spiel steht da: „Nach Amerika geflogen“. Und die nächsten Seiten blieben leer. Aber ich
habe andere Informationen über diese Zeit. Bei den frü- heren Gigs habe ich sogar auf- geschrieben, wie viele Leute anwesend waren, wie viel wir bezahlt bekamen, wie viel PA und Truck kosteten. Ich habe auch unsere Gigs kritisiert. Das Jahr 1976 mit der Band Curved Air übrigens auch. In dem Buch sieht man den Kon- trast zwischen der Prog-Rock- Szene mit Curved Air mit drei Roadies und Lichtshow und der Punk-Welt mit The Police: wir waren drei Musiker und hatten keine Roadies.
Die Konzerte im „CBGB‘s“ wurden kürzlich als Tape gefunden. Sollen Sie veröffentlicht werden?
Was diese Police-Shows be- trifft, so glaube ich nicht, dass sie jemals veröffentlicht werden. Ich kann mich daran erinnern, dass jemand die- se Aufnahmen gemacht hat. Ich kann mich aber nicht erin- nern, was aus ihnen geworden ist.
Heute kaum vorstellbar, dass The Police anfangs mit Punkbands und in Punk- clubs aufgetreten sind.
Oh ja, ich liebte die Energie von Bands wie The Damned und The Clash. Es war keine anspruchsvolle Musik, aber ich komme ja von der Band Curved Air, bei der es nur um anspruchsvolle Musik ging und nicht so sehr um die Ver- bindung zum Publikum. Die Punkszene war so viel span- nender, auch das Publikum.
Sting hat The Police beschrieben als eine „hochexplosive Mischung aus drei Egozentrikern, die sich gegenseitig zerfleischen, wenn sie über die musikalische Ausrichtung der Band streiten“. Wer konnte sich am Ende durchsetzen?
Nun, wir haben uns alle durchgesetzt. Aber ich stimme nicht mit Stings Verwendung des Wortes „Ego“ überein. Es war kein Ego. Auch nicht im Namen von Sting, denn er ist kein Egoist. Andy Summers ist es auch nicht. Vielleicht bin ich einer, aber das war nicht das Problem. Das Problem war eine Meinungsverschiedenheit nicht darüber, wie man die Songs spielt, sondern über den Zweck der Musik im Kosmos. Wir drei haben völlig unterschiedliche Vorstellun- gen davon, wozu Musik da ist, wie man sie macht und warum. Das ist der Grund für den Konflikt gewesen. Wir sind alle drei sehr starke, durchsetzungsfähige Persönlichkeiten. Es war keine Frage des Egos. Ich bin das jüngste von vier Geschwistern, ich bin froh, einfach im Team zu sein. Als ich aufwuchs, wollte ich nie irgendwelche Konflikte. Ich hatte überhaupt kein Problem mit meiner Rolle und meiner Position in der Bandhierachie. Ich sage das, weil wir es jetzt alle verstehen: Dieser Zusammenprall von Ideen ist das, was die Band künstlerisch er- folgreich gemacht hat. Sting würde wahrscheinlich zustim- men, dass dieser Zusammen- prall konstruktiv war, aber er war nicht angenehm. Wir haben es nicht genossen, aber der Konflikt hatte ein sehr gutes Ergebnis.
Der Rolling Stone hat Dich in die Liste der zehn bedeutendsten Schlagzeuger in der Geschichte der Rockmu- sik aufgenommen. War Dein Stil schon vor The Police einzigartig?
Das glaube ich nicht. Es waren wahrscheinlich Andy und Sting, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Das Gleiche würde ich auch von den anderen beiden sagen. Diese Zusammenarbeit hat bei uns allen drei Spuren hinterlassen.
Du bist viermaliger Grammy-Gewinner, gewöhnt man sich an solche Auszeichnungen?
Leider ja. Die Freude dauert nur ein paar Tage. Vielleicht haben die Grammys länger gewirkt, als ich jünger war. Du erhältst die Auszeichnung, du hast großes Aufsehen, du bekommst Glückwünsche von allen und ein paar Wochen später kommt das eigentliche Ding zu dir und du stellst es mit einem Hahaha ins Regal – und siehst es dann nicht mehr an. Leider ist es nicht das Ge- schenk, das gemacht wird, um mich als Künstler zu be- sänftigen. Ich brauche einfach noch eins. Lohnender als jede Auszeichnung sind eigentlich meine Kinder und Enkelkin- der. Sie sind Auszeichnungen, die Bedeutung haben und von Dauer sind.
Besuchen Du und Sting gegenseitig die Konzerte?
Ja, das tun wir. Und auch Andy, der unsere Songs heute mit seiner wirklich guten Band in Brasilien spielt. Sein Schlagzeuger João Barone ist übrigens ein guter Freund von mir. Wir haben alle untereinander gescherzt, wie sehr wir es genießen, diese Songs ohne die anderen zu spielen. Was wir übrigens mit Liebe im Herzen sagen.
Also keine Reunion von The Police in Sicht?
Hör mal: ich bin Optimist. Ich würde sagen, dass es zumindest eine solide 0,000000000000000002-prozentige Chance für eine Wiedervereinigung gibt.