DER LETZTE AN DER BAR: Gedanken am Tresen des Lebens von Henning Wehland
#37 – „Warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüllen? Für wen? Für die? – Für Dich? – Für mich? – Ich hab´ keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen, für Dich nicht, für mich nicht – ich hab´ keine Pflicht.“ (aus dem Song „unbeschreiblich weiblich“ von Nina Hagen Band 1978)
Nach – wie – vor – finde ich, ist es eins der besten Plattencover! Auch deshalb, weil ich diese Songs so unbeschreiblich finde. „TV – Glotzer/white punks on dope“, „Naturträne“, „Auf´m Bahnhofzoo im Damenklo“, „Fisch im Wasser“. Es gibt auf diesem Album keinen Ausfall.
Ich war sieben Jahre alt, als ich diese Musik zum ersten Mal gehört habe. „Votan Wahnwitz“ von Udo Lindenberg konnte ich schon in und auswendig. Aber die Nina Hagen Band hat mir mit dieser Platte etwas Verruchtes „sowas-kann-man-doch-nicht-sagen“ Punk- und Rock-Gefühl geschenkt.
Ihr Porträt mit dem schlimmen Rosa im Gesicht und der Fluppe im Mundwinkel hat mich schwer beeindruckt.
Es gibt sehr viele Verbindungen zwischen Nina und den H-Blockx und mir als Sänger. Einen Auftritt beim 1Live Komet mit Ben Becker und Nina war episch. Aber ein Interview, welches ich mit ihr führen durfte/sollte hat sich bei mir für immer verankert. Im Rahmen meiner Sendung D-Tonal auf Viva2 kam sie mit ihrem damaligen Manager, Michael Smilgies, zum Interviewtermin im Mediapark in Köln.
Ich hatte mich natürlich mit ihrer Geschichte beschäftigt. Die Story, wie sie Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers Backstage in Hollywood „kennenlernte“ und verführte, war nur ein kleiner Teil der Geheimnisse, die ich ihr im Interview entlocken wollte. Unser damaliger Trommler Marco Minnemann hatte auch schon diverse Konzerte mit ihr gespielt. Und ich kannte Themen, die es sonst in keiner Klatschpresse zu finden gab.
Wir hatten ein tolles Vorgespräch und ich fühlte mich gut vorbereitet. Dann ging die Kamera an und ich sah mich verbalen Attacken von der Queen of Punk ausgeliefert, die ich nicht erwartet hatte. Was ich denn für ein Emporkömmling sei, Rock and Roll, ich wisse ja nicht mal, was das sei, zu ihrer Zeit… usw.
Ich war vollkommen perplex und habe in Absprache mit meiner Produzentin Katy Wagner dann das Interview abgebrochen.
Der Manager Michael war auch sichtlich verblüfft und sagte, „Darüber sprechen wir noch mal“.
Ein paar Tage später kam tatsächlich ein Anruf, eine Entschuldigung und die Einladung in die Büroräume von Ninas Label, um das Interview zu wiederholen. Das Vorgespräch war wieder super. Sie sagte, dass sie nicht wisse, was sie geritten hätte. Naja, kann ja mal passieren, dachte ich. Was soll ich sagen?!: Die Kameras gingen an und es war wieder das gleiche Spiel. Nach einer gefühlten Ewigkeit haben wir das Gespräch abgebrochen und ich bin nach Münster zurückgefahren.
Ehrlich gesagt, habe ich mich innerlich kaputtgelacht. Nina Hagen bekam leider nicht die Promo, die sie für ihr Album gebraucht hätte.
In über zwei Jahren als TV Host bei VIVA2, war das das einzige Interview, was nie ausgestrahlt wurde.
Und damit komme ich zurück auf den o.g. Text: „Ich hab’ keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen.“ Auch wenn es für mich nicht angenehm war, habe ich bis heute das Gefühl, dass Nina sich treu geblieben ist. Diese Platte ist mein „Rubber Soul“, mein „Sticky Fingers“, mein „Petsounds“. Sie hat Geschichte geschrieben und ist für mein Gefühl auch noch nicht fertig damit. Sie ist meine Queen of Punk!
„Punk(s) not dead!“ (Exploited)
(Foto Beitragsbild: Copyright Ricarda Spiegel)