Er ist Hamburg bekanntester und meist gejagter Künstler: Walter Josef F. ist OZ. Im Sommer 2011 hatte das Amtsgericht Barmbek den 62-Jährigen Graffiti-Senior wegen Sachbeschädigung zu 14 Monaten Haft verurteilt; Bewährung abgelehnt. OZ ging in Berufung. Nachdem er bereits acht Jahre für seine Smiley-Werke hinter Gittern verbringen musste, darf er jetzt aufatmen. Anfang Februar verurteilte das Hamburger Landgericht den Straßenkünstler zu einer Geldstrafe von 1.500€. Die Verteidigung hatte zuvor mit Kunstfreiheit argumentiert. Außerdem lasse sich der Mandant „durch eine erneute Haftstrafe ohnehin weder resozialisieren noch abschrecken“. Warum, erzählt OZ im OXMOX – es lebe der Sprühling!
Kann Kunst Sachbeschädigung sein?
Sachbeschädigung? Wenn Graffiti Sachbeschädigung ist, was macht der Mensch bitte seit Jahrzehnten mit der Umwelt? Bäume abhacken, Natur vernichten für Autobahnen, Flughäfen, Hochhäuser. Flugzeuge schaden der Umwelt viel mehr. Das ist für mich wahre Sachbeschädigung.
Die Leute sagen, OZ macht Graffiti. Wie nennst du es?
Es ist eine besondere Art der Kunst. Ich sehe mich nicht als Künstler, und ich sehe mich auch nicht als Graffiti-Sprüher. Für mich ist das Sprühen eine Protesthaltung. Ich mache einfach mein Ding, unabhängig davon, was andere Leute dazu sagen oder denken.
Was kann man mit Graffiti verändern?
Man kann die graue Welt ein bisschen bunter machen und ein wenig Lebensfreude in den grauen Alltag bringen. Du hast mit Tags angefangen und dann angefangen Bilder zu malen und Slogans.
KS
Wie hat sich dein Sprühen verändert? Wie hast du dich beim Sprühen verändert?
Jeder Mensch entwickelt sich weiter, wenn er lange genug an einer Sache arbeitet. Das ist der normale Werdegang. Ich wurde viel von der Natur inspiriert. Die Natur ist bunt. Deswegen sollen meine Bilder es auch sein. Ich liebe die Natur.
Wie wichtig ist Schönheit?
Was ist schön? Fuck the norm.
Macht nachts arbeiten Spaß oder einsam?
Es macht Spaß, dann hat man seine Ruhe. In dieser Konsumgesellschaft, in der sich fast alles um Kommunikation, Handys und Computer dreht müssen Menschen wieder mehr lernen, allein zu sein.
Wie sieht St. Pauli in 10 Jahren aus?
Schickimicki. St. Pauli ist schon lange nicht mehr was es einmal war. Sie sind doch jetzt schon dabei alles abzureißen. Ich warte schon darauf, wenn es in der Schanze den ersten McDrive, Starbucks und H&M gibt.
Was kann man gegen die Entfremdung von St. Pauli und Schanze tun? Oder müssen wir das einfach aushalten?
Die Entwicklung gefällt mir gar nicht. Überall Schickimicki. Ich habe keine Lust auf Konsum oder Werbegehirnwäsche. Um es mit dem Titel meines Buches zu sagen: „Fuck the norm“ Ich gehe nie in all diese teuren Läden und meide den Galaostrich. (Anm. der Red. das Schanzenviertel). Kommerz und Werbung machen dumm.
Was denken Bildleser von OZ?
Die Springerpresse? Es ist mir egal, was die Blödleser über mich denken. Die Redakteure schreiben sowieso, was sie wollen, damit sie ihre Auflage hoch verkaufen können. Sie lügen, was das Zeug hält. Über mich haben sie nur Lügen verbreitet. Nicht ein Wort, das über mich darin stand, ist wahr. Die Leute, die diese Zeitung kaufen, scheinen nicht besonders intelligent zu sein. Sie leben in einer Trash-Welt und lesen ein Trash-Blatt.
Macht Smileys malen fröhlich?
Mich ja. Ich male die Smileys besonders für die Kinder, damit sie etwas zu lachen haben, bevor der Ernst des grauen Lebens losgeht. Ich möchte einfach dem Alltag ein Lächeln schenken. Ich bin in meinem Leben lange durch die Welt gereist und habe dabei viele herzliche und freundliche Menschen kennen gelernt. In Deutschland dagegen sind sehr viele Menschen erschreckend unfreundlich, unzufrieden, negativ und frustriert. Die Stimmung im Allgemeinen ist zunehmend von einer Herzlosigkeit geprägt. Daher fühlen sich sehr viele Menschen aus dem Ausland, die Deutschland besuchen, sehr unwohl hier.
Wo warst Du im Ausland, und was hast Du da gemacht?
Mit Ende 20 war ich zwei Jahre in Europa unterwegs. Danach bin ich auf dem Landweg nach Asien gereist. Bis nach Papua-Neu-Guinea bin ich gekommen. Insgesamt war ich dort fünf Jahre unterwegs, habe viel Lebenserfahrung gesammelt und meine Liebe zur Natur vertieft.
Was jagt Dir Angst ein?
Eigentlich habe ich vor nichts Angst. Doch wovor ich in letzter Zeit Wirklich Angst bekommen habe, ist die massive Polizeigewalt mir gegenüber. Da ich dank der Springerpresse ein stadtbekannter Sprüher bin, erkennen mich die Polizisten oft und beleidigen, misshandeln und denunzieren mich, so oft sie können. Unabhängig davon, ob ich tatsächlich etwas Verbotenes gemacht habe. In Gruppen zu acht wurde ich von U-Bahnwachen festgehalten. Sie haben mich vom Fahrrad geschubst, getreten und geschlagen – ich war auf alle möglichen Arten schon das Frustventil dieser armen Personen. Wenn ich nun zur Polizei gehe, um eine Anzeige zu machen, glaubt man mir natürlich nicht. Stattdessen muss ich mich von den Polizisten aufs Ärgste beleidigen lassen. Und das alles, nur weil ich male. Noch Fragen?
In London werden die Wände mit Street–Art inzwischen auf Kunstauktionen verkauft. Kann OZ das auch passieren?
Es ist doch schon soweit. Bislang gab es mehrere Ausstellungen in ganz Deutschland (in Hamburg ua in der OZM Gallery). Weitere sind in Planung. Auch Bildbände von mir gibt es bereits (zB „Es lebe der Sprühling“). Ich finde es schön, wenn den Leuten meine Bilder gefallen. Aber den ganzen Rummel um meine Person brauche ich eigentlich nicht.
Die Dichte an Street–Art ist heute auch ein Parameter für Stadtmarketing. Wie kann Graffiti so einer Entwicklung Einhalt gebieten?
Das ist nunmal der Lauf der Dinge. Ich halte nicht viel davon und mag Werbung nicht. Werbung = Verblödung, geistiger Müll.
Wie würdest Du deine Beziehung zur Hamburger Graffiti-Welt beschreiben?
Ich kenne sehr viele. Aber die meisten haben zuviel Angst, erwischt zu werden. Daher arbeite ich lieber allein. Es gibt nicht viele Aktive außer USP, DSF und noch ein paar anderen. Euch die Macht, uns die Nacht!
Wieso kannst du nicht aufhören?
Ich kann aufhören, ich will aber nicht. Ich lebe, um zu malen. Es bringt mir Lebensfreude, und es ist meine Art von Protest. Es gibt noch viel zu tun.