#25 – SEGELBOOT
“Wir sind Anfänger, wie Kolumbus, Schmierfinken, wie DaVinci, die Kapelle spielt unser Lied, wir sind geboren, um Idole zu sein, wie Billy nur Wilder…“ („Segelboot“ aus dem neuen Album „Gesetz der Toleranz“ von Henning Wehland)
Die größte Kunst, ein Künstler zu sein, liegt für mich in der Motivation und in der Fähigkeit, Existenzangst auszuhalten.
Ich glaube, dass man heutzutage eine Karriere in den Medien, Musik, TV, Internet, etc sehr gut planen kann. Mit Fleiß und Disziplin sind 15 Minuten Ruhm leicht erreichbar. Manchmal sogar mehr.
Das ist für mich aber noch lange nicht Kunst. Ich sehe die Herausforderung eher darin, neue Ufer zu erreichen. Wenn mir jemand sagt, „das geht nicht“ oder „das will doch keiner sehen oder hören“, ist das für mich die Bestätigung, erst recht an etwas zu glauben, das nicht der medialen Massenware entspricht.
Das Risiko dabei liegt darin, dass ein kommerzieller Erfolg eher dem glücklichen Zufall der richtigen Zeit im richtigen Raum zufällt. Aber Kunst und Kommerz gehen nicht selbstverständlich Hand in Hand. Sie sind eher oberflächliche Bekannte.
Ich habe das große Glück, dass ich mit Kira eine Frau habe, die gemeinsam mit mir einen kreativen Weg beschreiten möchte. Als ausgebildete Juristin hat sie sich schon früh entschieden, dem Leben mehr abzugewinnen, als sich im Büro mit den Streitereien von fremden Menschen zu befassen. Sie dreht Dokus und kümmert sich um das Management in unserem Leben.
Anders als viele andere Lebensentwürfe gönnen wir uns den Luxus, das Leben nicht zu „verplanen“, sondern – wie Entdecker auf einem Segelboot – sind wir gespannt, was als nächstes am Horizont des Lebens auf uns wartet.
Für unser Umfeld ist das natürlich nicht so leicht nachvollziehbar. Denn als Musiker, Künstler und Kreative gehören wir nach wie vor einer Minderheit an.
Ich merke, wie es vielen aus unserem Umfeld schwerfällt nachzuvollziehen, was wir eigentlich den lieben langen Tag machen. Es ist kaum greifbar, inwiefern unser Alltag auch von Arbeit geprägt ist. Der Unterschied ist der, dass wir uns täglich selber Aufgaben stellen und uns den Tag und die Wochen einteilen müssen, um etwas zu erschaffen, was zu allererst als Idee in unseren Köpfen beginnt. Wie z.B. meine neue Platte „Gesetz der Toleranz“.
Das sind 12 Songs, die man als Tonträger oder über Streamingportale überall bekommen kann. Wie viel Arbeit dahinter steckt, kann man als Außenstehender kaum erkennen. Umso schöner ist es, mit diesen Songs auch wieder einen kreativen Zyklus abschließen zu können, um sich wieder neuen kreativen Ideen widmen.
Aber auch die Flexibilität Konzerte oder Termine wahrzunehmen, die sich kurzfristig ergeben, verlangen unseren Freunden und Familien viel Toleranz und Verständnis ab.
Familienfeiern, Geburtstage, Klassentreffen, Wochenendausflüge, Hochzeiten, Tauerfeiern fallen nicht selten meinem Tourplan zum Opfer.
In unserem Umfeld gibt es hauptsächlich Handwerker, Juristen, Ärzte, Arbeiter, Angestellte und Selbstständige. Alles klassische Karrierewege, die im Kontrast stehen zu dem eher unsicheren Weg, den wir gewählt haben.
Kira und ich haben uns bewusst dieses Leben ausgesucht und sind glücklich darüber, dass wir unseren Route selbst bestimmen können. Auch im Sturm versuchen wir, das Ruder fest in der Hand und unser Ziel am Horizont im Blick zu behalten.
Auf dem Meer der Erfahrungen und Erlebnisse befinden wir uns auch immer zwischen zwei Begegnungen. Die eine liegt hinter uns und eine neue liegt vor uns.
Die Summe dieser Begegnungen und die Neugier auf „Neues“ ist der Wind in unserem Segel.
Auf dem Meer müssen wir unsere eigene Ideallinie finden. Das klappt nicht immer, aber genau das ist ja auch das Aufregende daran.
„…unser Leben ist ein Segelboot, irgendwo zwischen Heimweh und Seenot, ist unsere Heimat der Horizont, Papa tut mir leid, wenn ich vielleicht nie mehr heimkomm’…“
(„Segelboot“; aus dem neuen Album „Gesetz der Toleranz“ von Henning Wehland)
Foto Beitragsbild: Ricarda Spiegel