eset, Ende, neu: Wenn in diesen Tagen mit „Good Times“ das neue und achte Album der Schweden erscheint, ist alles anders – und doch vieles wie gewohnt: Zwölf Songs, die die klassischen Mando Diao-Tugenden mit der gewachsenen Erfahrung und den vielfältigen musikalischen Einflüssen kombinieren. Eine Platte, die zugleich das Ende des einen und den Beginn eines neuen Kapitels markiert …
Denn nach 19 gemeinsamen Jahren hatte der Sänger und Gitarrist Gustaf Norén (36) die Band im Juni 2015 verlassen: „Es war sehr komisch, als Gustaf uns eines Tages plötzlich mitteilte, dass er die Band unbedingt verlassen möchte. Wir akzeptierten seine Entscheidung – uns blieb ja nichts anderes übrig. Aber wir brauchten etwas Zeit, um den Ausstieg zu realisieren.“, erzählt Mastermind Björn Dixgård (36) im Interview mit OXMOX. „Momentan hat keiner von uns Kontakt zu ihm – ich bin nach wie vor neugierig, welche genauen Beweggründe Gustaf hatte …“. Ausgerechnet einen Sänger zu verlieren, ist ein Einschnitt, von dem sich die meisten Bands nicht mehr erholen. Nicht so Mando Diao. Schon immer war vor allem Björn durch seine markante Stimme als zentraler Frontmann identifizierbar. Vor allem ist die Gruppe kein Wirtschaftsunternehmen, sondern besteht zuallererst aus sehr guten Freunden. So blieb die Frage nach einer möglichen Auflösung ein theoretisches Gedankenspiel, wie Dixgård sagt. „Wir lieben diese Band, sie ist für uns wie eine große Familie. Weiterzumachen war für uns die einfachste Entscheidung der Welt.“
Wie richtig diese Entscheidung war, davon erzählt nun „Good Times”. Das Album ist darüber hinaus eine echte Gemeinschaftsleistung. Mit zwei derart extrovertierten Persönlichkeiten, wie sie Dixgård und Norén immer darstellten, blieb für die anderen Mitglieder in der öffentlichen Wahrnehmung häufig nur die Rolle von Statisten. Das neue Werk belegt nun, wie falsch diese Sichtweise war: So handelt es sich hier um das erste Mando Diao-Album überhaupt, für das sich Carl-Johan Fogelclou (36, B.), Patrik Heikinpieti (Dr.), Daniel Haglund (37, Key.) und Björn Dixgård gleichberechtigt am Songwriting beteiligten. Hierbei tat sich der neue Gitarrist Jens Siverstedt besonders hervor. Der Norén-Ersatz – gleichzeitig ein guter Freund von Björn – prägt die Platte auf beachtliche Weise.
Seit bald 20 Jahren machen Fogelklou, Haglund und Dixgård miteinander Musik. Mit dem Debüt „Bring ‘Em In” gelang 2004 auf Anhieb der Durchbruch in der schwedischen Heimat. Hits wie „Sheepdog” und „Down In The Past” sorgten dafür, dass sich die Alben „Hurricane Bar” und vor allem „Ode To Ochrasy” auf den vorderen Plätzen der deutschen Charts positionieren konnten. Es folgten weitere Top-Five-Alben, der Mega-Hit „Dance With Somebody” sowie das Platin-Album „Give Me Fire!”. Nach diesem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere, besannen sich Björn & Co. mit dem schwedischsprachigen „Infruset” auf ihre skandinavischen Wurzeln. Anlässlich des 100. Todestages von Gustaf Fröding vertonte die Band zehn Gedichte des schwedischen Dichters. Der melancholisch gehaltene Balladen-Silberling wurde abermals ein voller Erfolg und zählt heute zu den erfolgreichsten Werken der schwedischen Musikgeschichte. Später integrierten die Musiker Synthesizer, öffneten sich für den Top-Ten-Hit „Black Saturday” Einflüssen aus Pop und elektronischer Musik und holten mit dem Nebenprojekt Caligola („Forgive, Forget“) eine weitere Gold Auszeichnung in Deutschland.
Das wesentliche Markenzeichen von Mando Diao blieb indes stets das harmoniesatte, am Stil der Sixties geschulte, superbe Songwriting. „Good Times” stellt diese Wurzeln zwar wieder stärker in den Vordergrund, es wäre aber ein Fehler, das Werk als „Back to the Roots“-CD zu verstehen. Vor allem das von Siverstedt geschriebene „Break Us” steht sinnbildlich für die Weise, in der die Gruppe aus der Krise neue Kraft geschöpft hat: „Man kann den Song als neue Band-Hymne verstehen. „Break Us“ vereint lyrisch alles, was wir mit der Platte ausdrücken wollen.“, erklärt Dixgård.
Bereits die ersten Songs zeigen die enorme Bandbreite auf, in der sich das musikalische Vokabular von Mando Diao inzwischen bewegt. Konstituiert hat sich die Grundstimmung dieses Albums im Sommer vergangenen Jahres. Die Musiker verbrachten einige Tage im Sommerhaus von Jens Siverstedt auf der schwedischen Insel Gotland und musizierten ohne Konzept drauflos. Sie tranken Bier, kochten gemeinsam, führten endlose Gespräche und schliefen stets bis mittags. „Als Gustaf die Band verlassen hat, haben wir viel über Freundschaft und Beziehungen nachgedacht.“, sagt Björn. „Wenn solche Dinge passieren, schaut man automatisch zurück und reflektiert so manches. Deshalb haben einige Songs auch eine melancholische Note, das hat sich ganz natürlich aus unserer Situation heraus ergeben.“
Die CD ist darüber hinaus auch als Kommentar auf die aktuelle politische Weltlage zu verstehen: „Wenn man sich die Welt so anschaut, kann man nicht unbedingt von „Good Times“ sprechen. Kriege, Donald Trump, rechte Parteien im Aufwind, es passieren so viele beschissene Sachen.“, sagt der Sänger. Und Fogelklou ergänzt: „Wir haben eine gute Zeit in einer abgefuckten Welt.“
Im Sommer geht‘s für die Jungs auf eine große Festival-Reise, wo die neue Platte u. a. auf dem Hurricane (23.-25.06.) ihren Einstand feiert. Ende des Jahres soll eine reguläre Tournee folgen – hier sollte man aufpassen, dass nicht wieder unschöne Bilder entstehen: „Als wir in der Schweiz ein Konzert spielten, stand nach dem Auftritt ein Fan in der Tür unserer Garderobe und fragte uns, ob wir seine Unterwäsche sehen wollen.“, schmunzelt Fogelklou. „Aus Scherz bejahten wir. Also zog er seine Hose runter und stand dort dann in blauer Boxershorts, die mit vielen knallgelben Bart Simpsons geschmückt war.“.
Justine Stock
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