Entspannt hat es sich die hübsche 29-Jährige auf einem Sofa im 25hours Hotel bequem gemacht, und lässt den Blick über die sonnige HafenCity schweifen. Ein Interview mit der charismatischen Künstlerin fühlt sich an, wie der Kaffeeklatsch mit einer guten Freundin. Am Ufer der Elbe tauchen wir gemeinsam ab, und ergünden Y´akotos neues Album „Mermaid Blues“ …
Als Tochter eines ghanaischen Jazzmusikers und einer deutschen Politologin wuchs die Soulsängerin in der westafrikanischen Hafenstadt Tema auf. Heute pendelt Y´akoto zwischen ihrer Wahlheimat Hamburg, Paris, Stockholm, Los Angeles und den Küstenmetropolen Dakar, Accra oder Lome. „Ich finde ein Zitat von Karl Lagerfelds Mutter sehr passend: „Hamburg ist das Tor zur Welt, also benutze es auch.“ Diese Aussage trifft total auf mich zu“, lacht die junge Weltenbummlerin. „Das Schöne am Leben in Küstenstädten ist: Ich breche gern auf, um wieder zurück zu kehren.“ Die Liebe zum Wasser spült jetzt eine neue Song-Sammlung an Land: „Mermaid Blues“ heißt Y’akotos drittes Album. „Ich finde, eine Meerjungfrau ist etwas sehr Unberechenbares. In der Mythologie hat sie fast immer das gleiche Image: Sie kann leidenschaftlich und liebend sein, aber auch zerstörerisch und launisch. Für mich ist sie ein starkes Symbol, in dem ich mich wiedergefunden habe. Der Song „Take Him Back“ ist dafür ein gutes Beispiel. Es fasziniert mich, wenn Frauen polarisieren. Wenn man nicht genau weiß: Wer ist sie jetzt? Warum macht sie das? Mich inspirieren Künstlerinnen wie z. B. Sade, die sich einen gewissen Mythos bewahrt haben. Ich bin mir bewusst, dass meine Musik polarisierend ist, vielleicht auch meine Persönlichkeit. Es war nie meine Intention „the girl next door“ zu sein.“
Ihrer dunklen, ausdrucksstarken Stimme wegen wurde Jennifer Yaa Akoto Kieck bereits mit tragischen Heldinnen wie Billie Holiday verglichen. Leidenschaft und Zerstörung finden sich auch in der Bluesmusik: „Ich glaube, dass man zu 50 % leidenschaftlich sein darf, aber auch zu 50 % eine gewisse Bodenständigkeit besitzen muss. Man sollte das Leid nicht zelebrieren … Das Wort Blues hat für mich außerdem viel mit der afrikanischen Geschichte zu tun. Blues entstand um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, gesungen von den Sklaven auf den Feldern, als Mittel der Kommunikation. Es waren viele Codewörter darin versteckt. Deshalb ist die Verwendung des Wortes Blues für mich eine Art Hommage. Ich bin mir bewusst, dass ich als schwarze Künstlerin heute hier stehen kann, weil Millionen von Menschen dafür gestorben sind. Darauf besinne ich mich mit dem „Babyblues“ (2012), dem „Moody Blues“ (2014) und aktuell dem „Mermaid Blues“ …“
Y’akotos Musik scheut sich nicht, aufzurütteln, aufzuwecken und anzuecken. Wie Wasser bahnt sie sich ihren Weg. Fela Kuti brachte diese Symbolik in seiner Widerstandshymne „Water No Get Enemy“ zum Ausdruck. Auch die junge Sängerin hat ihren eigenen Revolutionssong namens „Reception“. „Mut ist eines der wichtigsten Attribute, um revolutionär zu denken und zu handeln“, erklärt die engagierte Künstlerin. Ob sie sich selbst mutig findet? „Ja. Ich bin mit der Zeit durchaus mutiger geworden. Ich glaube aber auch, dass mir keine Wahl geblieben ist. Wenn man Musik macht, muss man sich entscheiden. Entweder, du fragst dich nach jedem Song: Finden die das gut? Oder du entscheidest einfach: Ich finde das gut!“ Ein gesundes Selbstbewusstsein, das gerade in unsicheren Zeiten wichtig ist. „Auch das ist „Reception“. Eine Menschenhymne, in der ich an die Stärke appelliere, einen klaren Kopf zu bewahren und sich nicht von Emotionen wie Angst kontrollieren zu lassen. Wir sind Menschen mit einem Verstand und Bewusstsein. Hierbei geht es mir nicht nur um die politische Situation. Auch das Klima und die gesamte Welt verändern sich: „ … no time to fake it, we can make it. I’m simply saying that there’s no time to waste …“, groovt Y´akoto in einem unverwechselbaren Slang. Wir haben nur diesen einen Planeten. „Waving with my free hand to the other side of the moon … Die Ironie an dem Text ist, dass wir nicht auf dem Mond leben können. Und dass die Mondlandung wahrscheinlich eh erfunden ist.“
Bei der studierten Tanzpädagogin ist alles echt. Im Video zur aktuellen Single „Fool Me Once“ ist eine leidenschaftliche Choreografie zu sehen. „Tanz ist für mich die unprätentiöseste Art, sich auszudrücken. Was ich daran mag, ist dass er nichts vorgibt. Für mich bedeutet Tanz, sich körperlich und seelisch aufzuräumen. Weil es unglaublich befreiend ist.“ Herausgetreten ist Y´akoto auch aus dem Schatten ihres erfolgreichen Musiker-Vaters, dem sie spätestens seit der Zusammenarbeit für den Song „We Walk The Line“ auf Augenhöhe begegnet. „Ich war an einem Punkt, an dem ich gesagt habe, entweder ich schmeiß den Song weg, oder jemand hilft mir. Da ist mir mein Vater eingefallen. Ich glaube, man kann zu Leuten aufschauen, ohne sie zu kopieren. Mein Vater hat mich musikalisch stark beeinflusst. Was ich von ihm übernommen habe, ist die Affinität zum Groove. Ich kann einfach nicht mit einem schlechten Groove arbeiten, oder mit einem schlechten Drummer. (lacht) Was einzelne musikalische Elemente angeht, z. B. in welcher Relation der Bass zum Schlagzeug steht, bin ich unglaublich picky (z. dt. pingelig). Bei Songs wie „Love Me Harder“, „King Of The Dark“ oder „Take Him Back“ habe ich mich sehr an dieser Groove-Formel orientiert. Dafür ist mein Vater verantwortlich. Er ist Drummer und Sänger, und hat immer gesagt: „Y’akoto, it has to boogie!“
Am 19. August bringt Y´akoto ihre „soul seeking music“ auf die Stadtpark-Bühne. Mit Live-Unterstützung des Vaters? „Das möchte ich immer!“, lacht sie. „Aber ihm ist es wichtig, dass ich das jetzt nur für mich mache. Ich bin mit einem Künstlervater aufgewachsen. Als Kind fand ich es immer furchtbar, wenn ich mit ihm in Ghana am Strand spazieren ging, und Fans unsere wertvolle Zeit unterbrochen haben. Als MC God hatte er in den 80ern in Westafrika einen höheren Bekanntheitsgrad, als ich hier.“ Wenn Y´akoto in ihrem Heimathafen Hamburg ist, lässt sie sich am liebsten durch ihr Viertel treiben. „Meine Spaziergänge durch Barmbek und Wandsbek entspannen mich total. Ich liebe die bunte Mischung aus asiatischen Geschäften, Afro Shops oder Shisha Bars. Das ist cool, nicht so glattgebügelt wie in den In-Vierteln. Ich genieße es dort zu sein, wo noch ein bisschen rohes Leben ist. Mein persönlicher Barmbek-Ghetto-Glitzer Lifestyle!“ (lacht)
Stefanie Ohl