In den späten 80ern habe ich meinen ersten Job in Hamburg angetreten – als technischer Leiter des Docks auf der Reeperbahn. Eines der ersten Konzerte, das ich betreuen durfte, war Motörhead. Schon die technische Anweisung ließ ein besonderes Ereignis erahnen. „Please notice“, stand da fett gedruckt. „Motörhead is a loud band. We are producing 120dBA in the audience. Make sure that the panzers are aware of this.“ 120dBA? Angesichts der heutigen Vorschriften eine unmögliche Aussage – schon damals ein Statement! Ich habe mich also brav beim Produktionsmanager der Band vorgestellt, der mich mit den Worten begrüßte: „Hi Michael, nice to meet you, can you get us some gag (Keine Ahnung, ob man das so schreibt)?“ Was zur Hölle ist „gag“? Um nicht wie ein Looser dazustehen, habe ich natürlich zugesagt und nach der Menge gefragt. „Well, 10-15 will do for today, I think.“ Zum Glück wusste unser Booker, was „gag“ bedeutet und hatte auch den passenden Kontakt, der kurze Zeit später mit dem Gewünschten vorstellig wurde und direkt zum Produktionsmanager geführt wurde. Zum Soundcheck habe ich mich dann erneut in die Halle begeben. Eine Wand aus Marshall Boxen für den Gitarristen und nicht einer, auch nicht zwei, sondern vier Ampeg Stacks standen zu je zwei Stück neben dem Schlagzeug. Diese Anzahl an Bassboxen ließ vermuten, was gleich folgen sollte: Beim ersten Stück dachte ich, mir fliegen die Ohren weg – der gesamte Saal erzitterte unter „Ace of Spades“. „Wahnsinn“, entfuhr es mir – da erst schob der Fronttechniker die Regler seines Mischpultes nach oben. Das, was ich bisher gehört hatte, war nur der Bühnensound – das Monitoring für die Künstler – gewesen! Jetzt startete ein Düsenjäger direkt in meinem Kopf. Nach kurzer Schockstarre musste ich grinsen – ja, das ist Rock n Roll und der Grund, warum ich unbedingt in dieser Branche arbeiten wollte und mein Studium beendet hatte. Zurück im Büro konnte ich die Diskussionen unseres Gastrochefs mithören: „Nein, du kannst heute nicht arbeiten. Ich sichere dir dafür Silvester zu!“ Man muss wissen, dass es an genau zwei Tagen im Jahr die Möglichkeit für Tresenpersonal gab, 100 DM Umsatzbeteiligung zu verdienen – an Silvester, oder wenn Motörhead auftreten. Das Lager war voll mit Bier, am Ende des Abends sollte der Vorrat zur Neige gehen … Gegen 18 Uhr füllte sich der Spielbudenplatz mit erwartungsvollen Rockjüngern – Mädchen in schwarzen Klamotten, Jungs mit albernen Koteletten – unser Disponent hat sich damals auch welche wachsen lassen, und hat sie noch immer … Angesichts der Menschenmassen vor der Tür war uns sehr daran gelegen, pünktlich im 19 Uhr den Club zu öffnen. Leider hatten wir übersehen, dass im Foyer ein Geldspielautomat stand. An diesem saß nun ein Mann mit Hut und grimmigem Gesicht und hatte unglücklicherweise gerade eine Freispielserie. Wir konnten also erst mit 20 Minuten Verzögerung öffnen und unser Gastropersonal hatte alle Hände voll zu tun, den stechenden Durst der Gäste in Vorfreude umzuwandeln. „Good evening, we are Motörhead and we play Rock n Roll!” Gitarre, Bass, Schlagzeug, 120dBA, weißes Licht von vorne – fertig. Es folgten 90 Minuten schwitzen, grölen, feiern, glücklich und völlig erschöpft nach Hause gehen … Ich habe in den letzten 25 Jahren ca. 20 Konzerte von Motörhead betreut, das letzte am 09.12.2015 in der Sporthalle. Das war „ruhiger“ als damals, aber weit entfernt von brav und Lichtjahre von den heutigen Künstlern, die mit einem USB Stick auf die Bühne gehen und mit den Armen wedeln – Rock n Roll eben. Nun ist am 28.12. der letzte Vorhang gefallen – es hat uns nicht überrascht. Der Spruch „Live fast, die young“ muss für Lemmy umgeschrieben werden: „Live fast, get old“ passt besser. Er hat mich in den letzten 25 Jahren stets begleitet und wird es auch in Zukunft tun. Wegen Künstlern wie Motörhead arbeite ich immer noch in dieser Branche: Leidenschaft und Hingabe für das was sie tun, fasziniert! Michael Molt (Geschäftsführer U-Need Gesellschaft für Veranstaltungslogistik und -personalservice mbH)