“Alles klar, Kumpel“, zirpt Stevie Wonder in einem Mockney Akzent um halb drei Uhr morgens. Es dauert nicht lange, und er erinnert sich lebhaft an den Autounfall, in dem er beinahe sein Leben verloren hätte. Das war 1973 — er war in einem Sedan unterwegs und krachte in einen LKW. Seine Verletzungen waren verheerend. „Es war am 6.August, als ich beinahe gestorben wäre“, erinnert er sich „und am 06.August – 1988 – wurde mein Sohn Kwame geboren. Das Leben ist manchmal komisch.“
Ist der Autounfall immer noch ein einschneidendes Erlebnis?
„Es ist bedeutend“, antwortet er, und das ist eine typische Wonder Antwort, „Gott seid Dank bin ich heil davongekommen. Gott gab mir das Leben, um weiterhin Dinge zu tun, die ich sonst niemals getan hätte.”
Hervorstechend unter diesen Dingen war die Elektrifizierung des modernen Souls, welche auf seiner außerordentlichen Serie von Alben in den 70ern erfolgte. Sie hatten einen enormen Einfluss auf andere Musiker, von Michael Jackson und Prince in den 80ern bis Rapper Drake und den diesjährigen R&B Star Frank Ocean. „Yeah, ich mag Frank“, sagt Wonder, der den
Refrain von Ocean‘s No Church in The Wild zu The Odd Future Sensation sang, als er ihn kürzlich auf einer Party traf. Das Gefiühl beruht auf Gegenseitigkeit: In Rezensionen zum 2012 erschienen Frank Ocean Albums werden viele Vergleiche mit Wonder’s Musik gezogen.
Gibt es denn irgendjemanden der ihn (Wonder) nicht mag?
„Heh“, kichert er, und überlegt. „Na ja, solche gibt es schon… Aber wir denken nicht so gern darüber nach.“
In „Where Did Our Love Go?“‚ eine Geschichte des Motown, erwähnte Nelson George die Eifersucht unter den Angestellten gegenüber dem 17-jährigen Genie. Auch wenn Kritiker bald zum Schweigen gebracht wurden, durch seinen fabelhaften Lauf von hauptsächlich selbstgeschriebenen Hits :„ Uptight (Everything is allright)“, „For Once In My Life“, Sealed, Delivered”, bald zum Schweigen gebracht wurden.
„Ich bekam einen Anruf von Smokey Robinson und er sagte:´Mir hat deine Auswahl an Songs
nicht gefallen. Ich denke sogar, dass sie ziemlich lächerlich ist. ‘Ich sagte: ‘Das ist mir sch***egal was du denkst, oder was irgendjemand denkt!’ Das war mein Reifemoment bei Motown.“
Wonder besteht darauf, dass seine Blütezeit des explorativen Musikmachens noch nicht vorbei ist, trotz des Faktes, dass sein letztes Album „A Time to Love“, nur seine vierte nennenswerte LP in drei Jahrzehnten, 2005 veröffentlicht wurde. „Ich experimentiere immer noch“, schwärmt er: „Ich lerne gerade dieses neue Instrument, dass heißt Therapejji. Es liegt irgendwo zwischen einem Klavier und einer Gitarre. Ich schreibe ganz andere Songs damit — ich habe so viele. Die Frage ist, werden sie mich überleben? Die Zeit ist lang, aber das Leben ist kurz.“
Wird sich Wander, der gerade 62 geworden ist, seiner Sterblichkeit bewusster?
„Ich fühle es nicht,“ sagt er zum Voranschreiten der Zeit, „ich weiß es ganz sicher.“
Was denkt er über Rapper wie Jay-Z. die sich gegen B-Rock gewendet haben?
„Nun ja“, seufzt er, in einem seltenen Anflug von Antipathie, „die sich gegen ihn gewandt haben, haben dies aus Ignoranz oder aus Schutz eigener Interessen getan, was wahrscheinlich mit Geld zu tun hat. Aber die Realität ist, dein Geld ist nur solange gut wie du auch anderen damit helfen kannst. Ich bin immer optimistisch, aber die Welt ist es nicht. Die Leute sollten versuchen, auf eine positivere Ebene zu gelangen. Stattdessen setzen sie alles auf eine Person, die es für sie erreichen soll.“, sagt er. „Jeder wird gebraucht. Und die Denkweise muss sich ändern. Ich meine, wie können wir denn 2012 Rassismus in der Welt
haben? Du musst dein Herzblut in Veränderung investieren,“ schlägt er vor, „Armut, Hunger,
Rassismus und Analphabetismus ein Ende setzen und eine Heilung für Aids und Krebs finden, um einige Dinge zu nennen, die getan werden müssen.”
Wollte der Friedensüberbringer jemals einen anderen schlagen?
„Nein“, sagt er geduldig, wie zu einem Kind, dass etwas besonders Dummes geäußert hat. „Wenn du Jemanden schlägst, bedeutet das, dass du deine Fähigkeit zur Kommunikation außen vor gelassen hast.”
Wonder erwähnt „den Dämon im Geist”. Wie hat er es geschafft zu bestehen, wenn revolutionäre Seelenverwandte – Marvin, Sly Stone, James Brown – der Qual und der
Versuchung erlagen?
„Zuerst mal“, betont er, „ bin ich kein bisschen besser als jeder andere. Ich hatte aber nie ein Verlangen nach Drogen. Als ich 21 war, habe ich mal Marijuana geraucht, und als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, fühlte es sich an als hätte ich einen Teil meines Gehirns verloren.“
Wonder hat auch das Ableben jüngerer Talente gesehen: Michael Jackson, Whitney Houston, Amy Winehouse.
„Es war herzzerreißend“, sagte er. „Natürlich kannte ich Michael.“ 2009 brach Wonder während einer Perfomance von Jackson‘s „The Way You Make Me Feel“ zusammen. „Ich kannte auch Whitney und ich glaube Amy war vor zwei Jahren auf einem meiner Konzerte. Ich dachte mal an ein Duett mit ihr – ein alter Marvin und Mary Wells Song, „Once Upon A time“. Das wäre großartig gewesen.”
Zieht er jemals in Betracht, dass seine Benachteiligungen – als schwarzer Blinder
geboren zu sein – ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist?
„Weißt du, es ist komisch“, beginnt er, „aber ich habe meine Blindheit nie als Benachteiligung gesehen, und ich habe meine Hautfarbe nie als Benachteiligung gesehen. Ich bin was ich bin. Ich liebe mich! Und ich meine das nicht egoistisch – ich liebe, dass Gott mir erlaubt hat, mir zu nehmen, was auch immer es ist, das ich habe, und etwas daraus zu machen.“