Wir können es uns „(un)gemütlich machen“
Straßenmusiker
Elias Gottstein und Carl Luis Zielke haben keinen festen Wohnsitz, keine Ausbildung, keine Sicherheiten.
Stattdessen leben sie ihren Traum von Freiheit: radikal, anarchisch, unplugged! Sie sind jung, sie sind intelligent, sie sind hungrig: nach Leben, nach Musik, nach einer Zukunft fernab der bürgerlichen Vorstellungswelt.
Dazu haben sie einen unbändigen Optimismus, dieses Leben selbst gestalten zu können – mit und durch ihre Musik.
Als Guaia Guaia ziehen sie mit umgebauten Fahrrädern von Stadt zu Stadt und locken mit lauten, illegalen Konzerten Fans und Polizisten an…
Wiedersehen macht Freude – seit OXMOX die beiden 23-jährigen Straßenmusiker vor drei Jahren auf dem Reeperbahn Festival entdeckte (und gefesselt von dem euphorischen Gig das eine oder andere Club-Konzert verpasste), hat sich einiges getan.
Luis und Elias sind mit ihrem Sprechgesang über scheppenden ElectroBeats bei Universal Music unter Vertrag. Das Album „Eine Revolution Ist Viel Zu Wenig“ wird am 12. Juli veröffentlicht. Und auch der Film hat das bunte Leben der beiden Anarchos entdeckt: Regisseur Sobo Swobodnik begleitete die Band zwei Jahre lang auf ihrer abenteuerlichen Reise durch die Fußgängerzonen des Landes, wie sie von wildfremden Leuten auf einen Schlafplatz eingeladen werden, in Oberammergau mit den Darstellern der Passionsspiele ein rauschendes Fest feiern oder auf der Suche nach einem Winterquartier sind.
„Es ist Luis und Elias unbändige Lust auf das Leben, die mich faszinierte, die Furchtlosigkeit, die Frechheit und der Mut, der mich an den beiden beeindruckte“, erklärt Swobodnik Ein spannendes Porträt liefert der Streifen „Unplugged: Leben Guaia Guaia“ (OXMOX Film des Monats), der auf dem Filmfest München 2012 Premiere feierte, den Publikumspreis des Bayerischen Rundfunks gewann und am 11. Juli in die Kinos kommt.
Doch wie passen Kunst und Kommerz‚ Freiheit und Verträge zusammen?
Wenn man aus dem nordöstlichsten Zipfel der Bundesrepublik kommt, aus Mecklenburg-Vorpommern, sind die Chancen, seinen Traum von der Musik zu leben, eher gering.
Also zogen zwei Jungs vor drei Jahren los, um auf der Straße Musik zu machen.
Inspiriert von dem Film „Nomaden der Straße“ wollten sie es ausprobieren, testen ob sie das Talent haben, Leute zu begeistern, zum Stehenbleiben zu bewegen und ihnen Geld für ihre Darbietung zu geben.
Eine der härtesten Schulen, die es für Musiker gibt.
„Unser erstes Konzert haben wir in München auf dem Stachus gespielt. Der Springbrunnen war lauter als wir, trotzdem haben die Leute uns drei CDs abgekauft – und uns ermutigt, weiterzumachen”, erinnert sich Elias.
Als die Münchener Polizei ihnen ein Musikverbot für die gesamte Innenstadtaussprach, entschlossen sich Elias und Luis unter dem Namen Guaia Guaia die Sicherheit einer festen Adresse aufzugeben.
Das, was ihnen gehört, passt auf zwei umgebaute Lastenfahrräder, was sie brauchen haben sie immer dabei. Seitdem leben sie auf der Straße, sind sie offiziell wohnungs- wenn auch nicht obdachlos.
Sie schlafen bei Freunden und Bekannten, quartieren sich bei wildfremden Menschen ein, bei Zufallsbekanntschaften, Zuhörern und Fans, die ihnen für Stunden ein Zuhause anbieten.
Braucht man einen Unterschlupf für länger, so ist auch dieser aufzutreiben.
Ein Obdach zu finden ist nicht schwer – man muss nur die Augen offen halten, schon wird man entdecken, dass überall Wohnungen leer stehen, Häuser, Fabriken, Vereinsheime, Lokale oder Ladengeschäfte.
Solange Wohnraum eine Ware ist, mit der man Geld erwirtschaften kann, wird sich an diesem Umstand nichts ändern.
Auf der einen Seite Leerstand, auf der anderen Seite Obdachlosigkeit – diese Logik steckt im System.
Doch warum sollte man das einfach so akzeptieren?
Elias und Luis besetzen Häuser.
Nicht laut und krawallig, nein einfach so. Sie machen es sich gemütlich, solange es geht und solange offensichtlich niemand einen Anspruch darauf erhebt.
Zum Beispiel ihr besungenes „Häuschen am Ostkreuz“. Die beiden Musiker haben es einfach gefunden. Es stand herum. Keiner brauchte es, also sind sie da rein.
Seit ein paar Jahren versuchen sie ihr Leben auf diese Art, ohne lästige Mietzahlungen und andere finanzielle Verpflichtungen auf die Reihe zu bekommen.
Das erfordert eine Menge Engagement, Improvisationsgabe, Einfallsreichtum und die Bereitschaft eine Erdtoilette zu benutzen – ohne Spülung und mit dem Nachteil sie regelmäßig selbst entsorgen zu müssen.
Komfort geht anders, aber „dafür müssen wir halt nicht arbeiten gehen, das ist ja auch ein Vorteil“, erklärt Luis und lächelt zufrieden.
„Viele unserer Songs handeln von dem Thema, von Geld unabhängig zu sein. Wir haben nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen. Im Gegenteil: Für uns gibt es z.B. nichts Schöneres als in der Natur zu schlafen. Wenn wir auf Tour sind, bevorzugen wir einen gemütlichen Platz im Freien jedem Hotelzimmer! Ein weiterer Wunsch, den wir uns erfüllen möchten, ist ein eigener Garten – wir wollen uns mit veganen Nahrungsmitteln selbst versorgen, um noch autarker leben zu können.“
Guaia Guaia sind eine Herausforderung an konventionelle Denkmuster. Und ein Experiment mit der Fragestellung: Könnte es auch anders gehen?
„Es ist uns schon klar, dass nicht jeder so leben kann, wie wir“, ist sich Elias bewusst, aber heißt das, dass man es nicht probieren sollte?“
Ausgestattet mit grenzenloser Neugierde veröffentlichen Luis und Elias ihre vierte CD. Aufgenommen im Phlexton Studio in Berlin-Kreuzberg, produziert von Kraans (u.a. Dendemann, Culcha Candela).
Nach drei independent Produktionen, Tausenden Konzerten auf der Straße, auf Privatpartys und auf ganz großen Bühnen, fühlen sie sich fit genug mit einem Major zusammen zu arbeiten.
Und schon wird im Video zur ersten Single „Alle Autos Fliegen Hoch“ echtes Geld verbrannt.
Das darf doch nicht wahr sein? „Doch, das war echtes Geld“, erklärt Luis. „Die Aussage dahinter ist, das Geld abzuwerten, indem man es verbrennt.
Natürlich hätten wir es auch spenden können, aber dann wäre die ursprüngliche Botschaft verloren gegangen. Wir wollten in diesem Fall auch keine wohltätige Spendenaktion starten, sondern provozieren.“
Ein Bruch mit den eigenen Klischees?
So etwas macht man doch nicht, wenn man sozial unterwegs ist. Erwartungen sind vielleicht nur dazu da, um gebrochen zu werden und für Elias und Luis war der Schritt ins kommerzielle Musikgeschäft nur logisch.
Wenn man sich nicht mehr um die eigene Vermarktung kümmern muss, hat man wieder mehr Zeit zum Musikmachen, so ihre einfache Rechnung. Denn trotz aller Hippieromantik und Straßenmusik haben sie letztendlich auch CDs herausgebracht, Auftritte organisiert und sich als Band bekannt gemacht.
Dass dabei ein paar Hoffnungen enttäuscht werden könnten, muss man in Kauf nehmen.
Der Lifestyle der beiden Musiker hat nichts zu tun mit Revolutionsromantik, Joint und Che Guevara Poster.
Dies ist einfach eine Form, in unserer Gesellschaft zu überleben und dabei die Spielregeln ein wenig außer Kraft zu setzen.
Das könnte im Grunde jeder machen, obwohl es eben nicht jeder machen kann. Es ist nicht die große Revolution, aber eine kleine, und die Parole von Elias und Luis heißt:
Guaia Guaia!
Mehr Infos: guaiaguaia.de
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