Raus aus der vorlesungsfreien Zeit, rein in das neue Semester. Hinter den meisten Studierenden liegen Wochen gefüllt mit dem Anfertigen zahlreicher Hausarbeiten, Klausuren und anderer Prüfungsleistungen. Und vor ihnen liegen viele Seminare und Vorlesungen, deren Creditpoints auch in diesem Semester „verdient“ werden wollen. Es entsteht der Eindruck, dass das Studium – gleich der Arbeit am Fließband – eine Aneinanderreihung von Arbeitsschritten ist. Für die man als Lohn den einen oder anderen Leistungspunkt verdient, mit dem ein Abschluss erworben wird. Gerne will das Bachelor-Master-System uns diese unternehmerische Ansicht auf das Studium verkaufen: Eine Investition in die Zukunft und ein Selbstoptimierungsprozess um den eigenen Marktwert zu steigern – den man mit zusätzlichem, freiwilligem Engagement für den Lebenslauf noch weiter aufpoliert. Dass das Studium und die Teilhabe am universitären Leben weit mehr sind, zeigt sich an vielen Beispielen:
Studieren heißt mitgestalten!
Wer sein Studium in Rekordzeit durchboxt, hat am Ende das Beste verpasst. Denn gerade hier bietet sich die Möglichkeit, sich auch als Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Viele mitgebrachte Meinungen, Einstellungen und Vorurteile können hier auf den Prüfstand gestellt, mit anderen diskutiert und verändert werden. Es geht nicht darum, vorgesetzte Inhalte auswendig zu lernen, sondern vor allem auch, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Das funktioniert nur, wenn man sich dafür den angemessen Raum gibt. Ein „effizientes“ Absolvieren von Prüfungsleistungen nimmt genau diesen Raum weg. Ein Studium braucht Zeit. Zeit eigene Gedanken zu entwickeln, mit anderen zu diskutieren und über den Tellerrand des eigenen Fachs hinwegzuschauen. Die Vielzahl an Prüfungsordnungen, fachspezifischen Bestimmungen und Modulhandbüchern mag den Eindruck erwecken, dass es gar keinen anderen Weg gibt. Jedoch ist das Studium nichts fest vorgegebenes, sondern kann verändert werden. So setzen sich Studierende täglich in den universitären Gremien dafür ein, wieder die eigenen Interessen am Studium in den Fokus zu rücken und studieren jenseits von Durchpeitschen und Prüfungsstress möglich zu machen. An der Uni Hamburg sind dadurch schon eine Vielzahl der aufgezwungenen Fristen gefallen. Außerdem wird in allen Fakultäten seit einiger Zeit eine universitätsweite Studienreform diskutiert. Wie ein Studium ablaufen soll, entscheiden auch wir Studierende mit und können uns an zahlreichen Stellen der studentischen und akademischen Selbstverwaltung einbringen. Selbst in Seminaren und Vorlesungen sind wir nicht zur Passivität verdammt, schließlich sind wir ein essentieller gestaltender Teil dessen, was in den Veranstaltungen diskutiert wird. Diese Stimme sollten wir nutzen!
Studieren heißt eingreifen!
Ein Studium bedeutet auch, sich mit der Welt auseinander zu setzen. In Zeiten von „Fakenews“ heißt das zum Beispiel, den Tatsachen auf den Grund zu gehen und bloßen Behauptungen mit realen Erkenntnissen zu begegnen. Dies ist nicht nur den Professor*Innen vorbehalten, sondern Aufgabe und Möglichkeit aller Mitglieder der Hochschulen und Universitäten. Für Studierende bedeutet das, sich in ihrer Fachwissenschaft gemeinsam mit den aktuellen Problemen auseinander zu setzen und Lösungen zu entwickeln. Wir bewegen uns im Studium nicht in einem Elfenbeinturm, sondern sind Teil der Gesellschaft. Dieser Anspruch ist nichts, um das wir als Studierende erst höflich bitten müssen, sondern in vielen Hochschulen in deren Leitbildern gesetzt. So heißt es an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften: „Wir nehmen unsere gesellschaftliche und ethische Verantwortung wahr und fördern durch Bildung, Forschung und Transfer die nachhaltige und friedliche Entwicklung der Gesellschaft“ (Leitbild Fakultät Technik und Informatik [1]). Die Hafen City Universität sucht „nachhaltige Lösungen für aktuelle baulich-räumliche, ökologische, soziale, kulturelle und ökonomische Herausforderungen“ (Imagebroschüre HCU [2]) und für die Universität Hamburg besteht ihr Leitbild „im Auftrag zum Schutz und zur Verwirklichung wissenschaftlicher Freiheit, zur Mitgestaltung eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates und einer friedlichen und menschenwürdigen Welt, zur Verwirklichung des Rechtes auf Bildung, zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Würdigung kultureller Vielfalt.“ (Grundordnung Universität Hamburg [3]).
Heutzutage bedeutet ein Studium nicht nur Ausbildung, sondern sich einzusetzen für eine positive Entwicklung der Gesellschaft. Wenn in diesem Semester der G20-Gipfel in Hamburg tagt (07.+08.07.2017), sind auch wir an den Hochschulen und Universitäten herausgefordert, uns mit den großen Problemen unserer Zeit – der globalen soziale Ungleichheit, Krieg, Flucht und Migration sowie der Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen – auseinanderzusetzen und Lösungen zu entwickeln. Dies bedeutet, eine Institution wie den G20-Gipfel zu hinterfragen und zu kritisieren. Zu studieren bedeutet nicht nur zu konsumieren, sondern sich einzumischen und selbst zu gestalten. In den Seminaren und Vorlesungen, in den Fachschaftsräten, Studierendenparlamenten, Fakultätsräten und Akademischen Senaten, in der Stadt und darüber hinaus. Nutzen wir die Chance!
Wie ihr euch aktuell engagieren könnt, erfahrt ihr unter asta-uhh.de. Wir freuen uns auf ein bewegtes Semester mit Euch!