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Exklusiv Interview mit “The Who”

Das Tier in mir

Sie galten in den 1970ern als die lauteste Rockband der Welt: The Who. Ihr Gitarrist Pete Townshend zerschmetterte auf der Bühne Gitarren und schrieb Meisterwerke wie “Quadrophenia” und “Tommy”. Ihr Sänger Roger Daltrey wurde zu einem Rockgott und Sexsymbol mit Lockenpracht. Am 20. Juni spielen The Who auf der Berliner Waldbühne ihr einziges Deutschlandkonzert – begleitet vom Filmorchester Babelsberg. Es könnte ihre letzte Tour sein. Mit Frontmann Daltrey, 79, sprach Olaf Neumann über den orchestralen The-Who-Sound, die Folgen eines wilden Lebens und sein aktuelles Filmprojekt, das dem legendären Drummer Keith Moon gewidmet ist

Mr. Daltrey, bei einem Sinfonieorchester gibt es keinen Raum für Improvisation. Die Musiker spielen die ganze Zeit nach Noten. Was bedeutet das für Sie als Rockmusiker?

Roger Daltrey: Man weiß nie genau, wohin Pete Townshends Gitarrensoli führen. Aber in den Arrangements der Songs ist kein Platz für Improvisation. Das ist der einzige Nachteil. Der Klang eines Orchesters kombiniert mit dem vollen The Who-Sound – wir machen keine Kompromisse bei der Lautstärke oder der Art und Weise, wie wir spielen, um dem Orchester gerecht zu werden. Wie diese beiden Klangkörper zusammenarbeiten, ist außergewöhnlich. Es gibt etwas, das mit der menschlichen Psyche und unserem Körper passiert, wenn man echte Instrumente hört. Ihr Klang hat eine ganz andere Wirkung, er lässt einem die Haare zu Berge stehen. Und die Arrangements sind sehr kompliziert.

Geht es Ihnen vor allem darum, anspruchsvolles Material live zu präsentieren?

Daltrey: Es ist nicht einfach nur ein Orchester, wie ich es bei vielen anderen Leuten gesehen habe, die so einfach spielen, wie man es auf einem Keyboard tut. Es handelt sich um sehr komplizierte und schlagkräftige Arrangements. Damit schließt sich der Kreis von meinen Anfängen mit The Who im Jahr 1964 bis heute, denn unsere Musik war kein Rock’n’Roll, kein Heavy Metal, kein Pop, sondern sie kam aus einem anderen Teil unserer Psyche. Sie sprach die Menschen auf eine andere Art an. Es war nicht die populärste Musik, aber im Laufe der Zeit hat sie die Bedeutung erlangt, die ihr zusteht. Songs wie “Baba O’Reilly” oder “Won’t Get Fooled Again” scheinen nicht verstaubt zu sein. 

Ihr berühmtes Album “Quadrophenia” zum Beispiel ist ein komplexes Werk. Ist dieses Material prädestiniert dafür, von einem Sinfonieorchester gespielt zu werden?

Daltrey: Es ist fabelhaft. Leider können wir nicht das ganze Album spielen. Das wäre vielleicht das Einzige, womit wir jetzt nach dieser Orchestertournee auf Tournee gehen könnten. Aber es hängt davon ab, ob ich es dann noch singen kann, denn “Quadrophenia” ist sehr herausfordernd für einen Sänger. Ich habe “Tommy” mit Orchester in denselben Venues gespielt, in denen wir diese Show machen, und es war ein Triumph. Jetzt spielen wir aber die Hits und einige Songs von “Quadrophenia”. 

Haben Sie von Anfang an gedacht, dass eine Rockband und ein Orchester zusammenarbeiten können würden?

Daltrey: Ja, denn ich habe Petes Musik immer so in meinem Kopf gehört. Sie ist wie eine neue Form der klassischen Musik. Es liegt an der Art, wie er schreibt. Pete verwendet Akkord-Voicings, viele verminderte und Moll-Akkorde in der Art, wie er seine Gitarre spielt. Das verleiht der Musik eine besondere Qualität. Wir haben früher viel einfacher geklungen, wir hatten nur vier Instrumente. Aber jetzt können wir das machen. Der Glamour, den wir als junge Männer hatten, ist weg. Aber ich kann immer noch singen wie früher und Pete ist ein Tier auf der Gitarre. Meiner Meinung nach ist er der originellste Gitarrist jenseits der frühen Blueser. Die Qualität der Musik und seine Texte haben sich durchgesetzt. Das spricht ein Publikum an. 

Wie fühlt es sich an, mit Zak Starkey und einem Orchester im Rücken zu spielen?

Daltrey: (lacht) Es ist wunderbar, denn Zak ist so gefährlich wie es Keith Moon war. Te Who brauchten einen Schlagzeuger, der einem das Gefühl gab, dass alles jeden Moment zusammenbrechen würde. Ich habe immer noch díeses Gefühl, denn Zak Starkey hat einen sehr ähnlichen Stil wie Keith Moon. Tatsächlich war Keith einer seiner frühen Schlagzeuglehrer. Und er war auch sein Babysitter. Und Zak hat das überlebt (lacht schallend)

Was macht für Sie eine erfolgreiche The-Who-Live-Show im Jahr 2023 aus?

Daltrey: Es gibt viele Dinge. Perfektion ist eines davon. Ich werde dem Publikum das Beste geben, was ich kann. Ich spiele jede Show, als würde ich sie zum ersten Mal machen. Ich lebe diese Songs wie am ersten Tag, an dem ich sie gesungen habe. An manchen Tagen ist es besser als an anderen, weil wir Menschen sind. Gott sei Dank sind wir keine Roboter.

Sind Sie Autodidakt oder hatten Sie auch Unterricht?


Daltrey: Ich habe in einem Kirchenchor gesungen, als ich sechs oder sieben Jahre alt war. Ich hätte Opernsänger werden können, aber all die guten Eigenschaften meiner Stimme wären durch Gesangsunterricht sicher wegtrainiert worden. Ich hätte die Qualitäten verloren, die mir in den letzten 60 Jahren eine Karriere ermöglicht haben. Ich bin ein kompletter Autodidakt.

Waren Sie schon vor The Who ein rebellischer junger Mann?

Daltrey: Ich glaube, wir waren alle rebellisch. Auf dem Gymnasium habe ich nichts von dem verstanden, was sie mir beizubringen versuchten, und ich habe einfach aufgegeben. Alles, was ich tun wollte, war Musik machen. An meinem 15. Geburtstag wurde ich von der Schule geschmissen und wurde Metallarbeiter in einer Fabrik. 

Erinnern Sie sich an die Party Ihrer Volljährigkeit?

Daltrey: Nein. Zu meiner Zeit war es das 21. Mit 21 habe ich geheiratet und ein Kind bekommen. Und ich war schon wieder dabei, mich scheiden zu lassen. Diese Dinge haben mich zumindest beunruhigt. 

Seit 1961 spielen Pete Townshend und Sie gemeinsam in einer Gruppe, die seit 1964 The Who heißt. Damit bilden Sie die wohl älteste noch aktive Rockband der Welt.

Daltrey: Ja, wir waren Ende 1961 zum ersten Mal zusammen auf Tour und hatten im Lauf der Zeit verschiedene Schlagzeuger und Sänger. Ich war der Lead-Gitarrist und Pete der Rhythmusgitarrist. Schließlich akzeptierten die anderen, dass ich der beste Sänger war, den sie bekommen konnten. Und dann haben wir Keith Moon gefunden, und The Who war geboren. Es war wie Alchemie. Wenn man bestimmte Chemikalien mischt, entsteht eine Explosion. So war es auch bei uns. Vor Keith waren wir eine durchschnittliche Kneipenband. Mit ihm wurden wir zu einer Ladung Dynamit. (lacht)

Wie ist der aktuelle Stand Ihrer Beziehung zu Pete Townshend?

Daltrey: Wir sind Freunde. Wenn ihm etwas zustoßen würde, wäre ich am Boden zerstört. Haben wir ein gemeinsames soziales Leben? Nein. Er führt ein völlig anderes Leben als ich. Vielleicht ist es das, was The Who ausmacht. Wir treffen uns eigentlich nur, wenn wir auf der Bühne stehen. Das hält das Feuer am Brennen.

Pete Townshend hat seine Gitarre auf der Bühne zerschmettert, Sie haben Ihr Mikrofon geschwungen und geschleudert. Wollten Sie dem Gitarrenzertrümmern etwas Eigenes entgegensetzen?


Daltrey: Es ging nur darum, einen Effekt zu erzielen. Man betrachtet die Bühne immer als Ganzes und versucht, sie zu einem einzigen Wirbelwind der Energie zu machen. Das kann man nicht erreichen, indem man da steht und versucht, als Frontmann und Rock’n’Roll-Sänger schön auszusehen. Das hätte ich nie sein können. Also fing ich an, mein Mikrofon zu schwingen. Am Ende wurde ich der Dirigent der Musik. Es war mehr als nur das Schwingen des Mikrofons. Unser Bassist John Entwistle war der Anker, Keith Moon spielte verrückte Sachen und klang wie drei Schlagzeuger, Pete Townshend konnte aus dem Stand drei Meter in die Luft springen. Unglaublich! Hätte ich stillgestanden wie John Entwistle, wäre die Bühne aus dem Gleichgewicht geraten. Also habe ich versucht, das Ganze mit dem Mikrofon zusammen zu halten. Es funktionierte, und ich habe nie wirklich versucht, es zu analysieren. 

Sie haben eine große Affinität zum Film und in rund 50 Streifen und Serien mitgewirkt. Arbeiten Sie an einem neuen Filmprojekt?

Daltrey: Im Moment arbeite ich an einem Film über Keith Moon. Ich möchte, dass die Leute ein paar Stunden mit dem Mann verbringen, den ich abgöttisch liebte. Man hat ihn nie ganz verstanden. Keith war ein absolutes Genie und viel mehr als ein verrückter Schlagzeuger, der Instrumente zertrümmerte, Toiletten und Hotelzimmer in die Luft jagte. 

Vermissen Sie die Zeit mit dem 1978 verstorbenen Keith Moon?

Daltrey: Oh ja! Er war einer der lustigsten Menschen, die ich je in meinem Leben getroffen habe. Ich glaube nicht, dass man jemals über den Verlust von jemandem wie ihm hinwegkommt. Er war ein so wichtiger Teil meines frühen Lebens. 

Wir leben heute in der Zeit der Wokeness, der politischen Korrektheit. Wie denken Sie darüber?

Daltrey: Das Internet hat die Persönlichkeit der Menschen verändert. Ich denke, dass soziale Medien sehr nützlich sind, aber es ging schief, als sie den Beiträgen der Menschen Likes hinzufügten. Das hat zur Folge, dass man, wenn man nicht aufpasst, nur noch schreibt, um sein Ego zu befriedigen. Und Egos sind gefährlich. Besonders bei unseren jungen Leuten gibt es eine Art Verschiebung in der Persönlichkeit. Die Menschheit profitiert nicht davon, sie wird davon zerschossen. Es sind im Moment sehr seltsame Zeiten. Ich finde es unglaublich frustrierend, dass wir einen Krieg in der Ukraine haben. Aber es ist nicht die Jugend von heute, die sagt: “Stoppt diesen verdammten Krieg! Ihr tötet junge Menschen, ihr tötet die Zukunft.” Alles, was ich über Krieg weiß, ist, dass das erste Opfer die Wahrheit ist. Der Wahnsinn! Alle Kriege enden mit einem Kompromiss, mit einer Einigung. Und dann beginnt man, miteinander auszukommen. Aber die Jugend streitet sich jetzt lieber über verdammte Personalpronomen! 

Sie werden nächstes Jahr 80 Jahre alt. Brennen Sie noch für die Rockmusik?


Daltrey: Meine Ohren machen jetzt schlapp. Ich verbringe viel Zeit damit, in der Stille den Vögeln zuzuhören. Ich mag keine Lautstärke mehr. Ich muss Ihnen sagen, dass The Who für all das verantwortlich sind. Der Marshall-Verstärker hat in den 1960er Jahren Bands extrem laut gemacht. Er wurde für The Who erfunden, nicht für Jimi Hendrix. Wir haben Jim Marshall die ganze Zeit gebeten: “Mach ihn noch lauter, Jim!” Pete Townsend war der erste Gitarrist mit einem Marshall-Verstärker, der die Rückkopplung und all dieses Zeug machte. Aber das hat unser Gehör strapaziert. Alles, was ich den jungen Leuten heute sagen kann, ist: “Passt auf euer Gehör auf, denn es macht keinen Spaß, in Restaurants zu sitzen und zu versuchen, zu verstehen, was die Leute zu euch sagen. 

Mit diesem Problem stehen Sie nicht allein da.

Daltrey: Jeder Musiker aus meiner Generation kennt dieses Problem, weil wir alle jung und dumm waren.

Aber Sie denken trotzdem nichts ans Aufhören, oder?

Daltrey: Ich sage nur ungern: „Das ist jetzt die letzte Tournee”. Wer weiß, was noch kommt. Solange wir so gut spielen können wie im Moment, werde ich das auch weiterhin tun. Ich singe die Songs immer noch in der original Tonart. Ich kann körperlich nicht mehr so sein wie früher, aber meine Stimme ist besser als je zuvor. Wenn ich die Noten nicht mehr treffe, höre ich auf. So einfach ist das. Ich möchte nicht so enden wie einige Sängerinnen und Sänger, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Sie waren nur noch ein Schatten ihrer selbst. 

Macht es noch Spaß, den Song „My Generation” zu singen mit der berühmten Zeile: “Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde”?

Daltrey: (lacht) Das macht immer Spaß! Um ehrlich mit Ihnen zu sein: Den Song habe ich 1965 trotzig gesungen. Ich singe ihn heute mit noch mehr Trotz. Es ist meine verdammte Generation!

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