GNADENLOS VERROCKEN
Das Power-Trio aus Jesse Garon (Ges., Git.), Johnny Angel (B.) und Pätzy Dävey (Dr.) begeistert seit zehn Jahren mit harten Metal-Covern jeglicher Genres und ih- rer aktuellen Single „Some Broken Hearts Never Mend“. Auf der Bühne lassen sie mit Devil ́s Lock und goldener Krawatte den Wolf, gleichzeitig ihr Bandmaskottchen, raus und rocken die Bühne; zuletzt beim Hammer Sommer Festival. Im Interview mit OXMOX sprachen die Musiker, die ihren Sound als „Schweinerock“ bezeichnen, über Hamburgs Rockwelt, Popsongs und eine ungewöhnliche Begegnung mit der Polizei …
Wie habt ihr begonnen?
Jesse Garon: Das war vor elf Jahren, als Johnny (Johnny Angel, B.) und ich (Ges. + Git.) unser bis dahin bestehendes gemeinsames Bandprojekt auf Eis legten, um nochmal richtig durchzustarten. In Rekordzeit bauten wir unseren Proberaum in ein voll ausgestattetes Tonstudio um und entwickelten die ersten Songs. Ziel sollte es sein, absolut show-orientierten, handwerklich einwandfreien Rock mit hohem Wiedererkennungseffekt zu spielen. Was uns damals noch fehlte, war der passende Schlagzeuger. Wir schalteten Anzeigen und ein Jahr später, im Sommer 2011, klingelte das Telefon und Pätzy rief an. Er war gerade nach Hamburg gezogen, hatte unsere Anzeige gelesen und meinte, dass er genau der Typ sei, den wir bräuchten.
Und er hatte Recht, denn heute sind wir immer noch in dieser Besetzung unterwegs. Das halten nicht viele Bands durch.
Wie würdet ihr eure Band beschreiben?
Wenn ihr Künstler wie KISS, AC/DC, Iron Maiden oder einfach große Rock- Shows liebt, dann werden unsere Konzerte euch gefallen! Wir machen genau das, was auch schon vor 40 Jahren funktioniert hat. Ihr bekommt einen fetten Sound, Show, Interaktion – einfach ein bleibendes Live-Erlebnis!
Wie entstand die Idee von Popsongs in Metal-Versionen?
Wir sind sehr offen für viele musikalische Einflüsse. Wir mögen Rock, Punk, Metal, Country und gut gemachte Popsongs.
Die Titel, die wir im Programm haben, sind vor allem große Hits aus den 50ern, 60ern, 70ern und 80ern, wie z. B. „Diana“ von Paul Anka, „Delilah“ von Tom Jones oder „Hot Stuff“ (Donna Summer). Die Idee war und ist, diesen tollen Stücken ein Heavy-Rock-Gewand zu verpassen, um möglichst viele musikbegeistere Menschen zu erreichen: Rocker, Metaller sowie Popper. Richtiger Metal ist es allerdings nicht, wir bezeichnen unsere Sounds eher als Rockkracher oder Schweinerock. Im Grunde covern wir nur Text und Melodie des Originals. Drumherum bauen wir neue, schnellere Grooves und fette Gitarrenriffs. Es ist immer wieder amüsant zu sehen, wie lange es dauert, bis Leute, die uns zum ersten Mal live sehen, begreifen, welchen Song wir da gerade gnadenlos verrocken. Meist geht das Publikum direkt richtig ab und beim Refrain kommt dann on top der Aha-Effekt: „Den Song spielen die gerade?! Wie geil!“
Wie sucht ihr die Songs aus?
Aktiv auf die Suche gegangen sind wir nicht. Ich habe früher gern Oldie-Sender gehört. Ab und an liefen dort Titel, die sich ohrwurmartig bei mir festgesetzt haben. Es passiert eher durch Zufall, dass ein passender Song unseren Weg kreuzt. Eine lustige Anekdote haben wir zur Entstehung unserer aktuellen Single „Some Broken Hearts Never Mend“. Das Stück ist im Original eine alte Country-Nummer, mit der Telly Savalas (Kojak) Anfang der 80er einen Riesenhit hatte. Die Idee zu dem Song entwickelte sich mehr oder weniger unter Einfluss alkoholischer Getränke. Johnny und ich saßen bei unserem Stammgriechen und unterhielten uns über tolle Filme und Serien von früher. Irgendwie sind wir bei Telly Savalas hängengeblieben. Und nach ein paar Ouzo fingen wir an, in Dauerschleife den Refrain von „Some Broken Hearts“ zu singen. Das ging gefühlt drei bis vier Stunden … Wir wurden immer lauter und waren schließlich die letzten Gäste im Restaurant. Und weil wir es geschafft hatten, mit diesem einen Refrain so konsequent den Griechen leer zu singen, setzten wir uns ein paar Tage später ausgenüchtert zusammen, um das Lied zu einem Sloppy Joe’s Track zu machen.
Sind eigene Songs wichtiger als Cover?
Mittlerweile liegt die Priorität mehr auf eigenen Songs. Auf unserer ersten EP (2013) waren ausschließlich Coverversionen. „Eight Reasons To Rock“ (Album 2016) bestand je zur Hälfte aus eigenen Titeln und Covern und auf unserem aktuellen Werk „Devil’s Music“ sind es sieben eigene Songs gegenüber drei gecoverten Tracks. Im Idealfall merkt der Zuhörer gar nicht, ob es gerade ein Cover oder ein eigener Song ist. Am Ende sind es Sloppy Joe’s Songs, gegebenenfalls mit Gast-Autor.
Welche Künstler inspirieren euch?
Als Inspiration sehen wir Bands wie KISS, AC/DC, Black Sabbath, Iron Maiden. Gruppen, die über Jahrzehnte live richtig abgeliefert haben und es zum Teil bis heute tun. Hier sind wir selbst Fans und wissen, wie geil es ist, sich so eine tolle Rock- Show reinzuziehen. Das ist das, was uns beeindruckt und motiviert, es ähnlich zu machen. Unser Ziel ist es, live die Show zu bieten, die wir gern selbst sehen wollen würden.
Beschreibt Hamburgs Rockwelt in drei Worten …
Liebend gern würden wir jetzt „Hamburg Rock City“ oder „Bester Rockkiez Deutschlands“ sagen, aber leider muss es im Moment eher „Rock ist tot“ oder „keine Rockszene mehr“ heißen. Die Entwicklungen der letzten Jahre in Bezug auf Rockmusik bzw. die Rockkultur in unserer Stadt finden wir nämlich sehr bedenklich: Hamburg war mal die absolute Rock-Hochburg. Von hier stammen großartige Bands wie Running Wild, Helloween oder Selig. So ziemlich jede Rockband hat in Hamburg Station gemacht, die Clubs waren gerammelt voll. Aber wie sieht es jetzt aus? Tolle Rockmusik-Großverantaltungen wie z. B. der Welt-Astra-Tag wurden von der Stadt abgeschafft, während Termine wie der Schlagermove, aus unserer Sicht eher eine Karnevalsveranstaltung, als „besonderes kulturelles Ereignis“ weiter bestehen dürfen. Auch mussten Locations wie das Rock Café Hamburg oder der Headbangers Ballroom schließen. Das waren unter anderem Läden, in denen sich große Teile der Rockwelt Hamburgs abgespielt hat. Die Live-Clubs legen gefühlt mehr Wert darauf, eine Electro- oder HipHop-Party zu veranstalten, anstatt Rockbands auf die Bühne zu lassen. Alles in allem eine recht traurige Entwicklung, gleichzeitig aber auch Ansporn für uns, weiterzumachen. Vielleicht schaffen wir und andere es ja noch, dieser Stadt wieder mehr die Seele des Rock ́n`Roll einzuhauchen.
Euer verrücktester Rock ́n`RollMoment:
Dazu springen wir zurück ins Jahr 2014. Es war das erste, in dem wir live richtig viel unterwegs waren und so ziemlich alles an Gig-Optionen mitgenommen haben, was möglich war. Auch eine Show bei einem Rocker-Club in Schleswig-Holstein, dem MC Holsten Kiel Germany. Zu dieser Zeit war das Thema „organisierte Rockerbanden-Kriminalität“ vor allem in Schleswig-Holstein sehr präsent. Sämtliche Rocker-Clubs standen unter massiver Beobachtung der Polizei. Nur wenige Tage vor unserem Konzerttermin beim MC Holsten wurde dann auch noch landesweit das offizielle Kutten-Verbot ausgesprochen und zudem mit strengen Auflagen und harten Sanktionen verknüpft. Als wir also nichtsahnend mit unserem Bandbus auf dem Weg zum Clubhaus des MC Holsten waren, konnten wir aus der Ferne schon viele Hundertschaften der Polizei und auch vermummte SEK-Beamte sehen. Sämtliche Straßen waren gesperrt und das Clubhaus weiträumig polizeilich abgeriegelt. Darüber hinaus konnten wir auch einige Polizeifunkwagen mit Abhöranlagen entdecken, die in der Nähe abgestellt waren. Jedes Auto, das hier durch wollte/musste, wurde von den SEK-Beamten komplett durchsucht. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns filzen zu lassen. Interessant wurde es, als unser Bus durchsucht wurde. Denn wir hatten zwei „Waffen“ an Bord: Unser Bassist Johnny ist in Besitz der Gene Simmons Bass Axt, einem Bass in Form einer blutigen Axt, den Gene Simmons von KISS erfunden hat. Als der SEK-Beamte den Basskoffer öffnete, fragte er: „Was ist das?“ Wir antworteten: „Wir sind eine Rockband und das ist ein Bass, keine richtige Axt.“ Es war deutlich zu merken, dass der Beamte hinter seinem Gesichtsschutz massiv schmunzeln musste. Allerdings war die Autodurchsuchung noch nicht zu Ende. Zu jeder Show nehmen wir auch immer unseren sogenannten „Haus- haltskoffer“ mit, in dem ein paar Gimmicks zur Belustigung aller Beteiligten enthalten sind. Nachdem wir die „Axt“ wieder eingepackt hatten, fragte der Beamte, ob dies der einzige „gefährliche“ Gegenstand sei, den wir im Wagen hätten. Wir sagten natürlich „Ja“. Doch dann öffnete er den Haushaltskoffer und es fiel ihm sofort ein Smith & Wesson 45er Revolver in die Hände. Das war natürlich eine Spielzeugpistole, im ersten Moment waren aber alle sehr überrascht. Letztendlich durften wir passieren. Den gesamten Abend, auch während unseres Konzerts, waren wir innerhalb der Polizeiabsperrung. Bei den Rockern trugen an diesem Abend trotzdem alle ihre Kutten. Dieser Tag wird uns immer in Erinnerung bleiben. Das war ein komplett abgefahrenes Rock ́n`Roll Erlebnis! Mit dem MC Holsten sind wir seitdem gut befreundet, haben dort viele weitere Konzerte gespielt und das Musikvideo zu unserem Song „Eat Sloppy Joe’s“ gedreht.
Wie kam es zu eurem Look? (Stirnlocke, goldene Krawatten, etc.)
Wir verkleiden/uniformieren uns dabei nicht, sondern legen vielmehr unsere „Kriegsbemalung“ im positiven Sinne an. Es ist für uns zu einem Bandritual geworden. In der letzten halben Stunde, bevor wir auf die Bühne gehen, verwandeln wir uns in unsere Bühnen-Alter-Egos.
Zukunftspläne?
Wir wollen alles nachholen, was wir aufgrund des Kulturstopps verpasst haben … Vor allem eine ausgedehnte Tour zu unserem neuen Album „Devil’s Music“. Daneben werden wir unserem eigenen Band-Bier Devils Bräu die Marktreife verpassen. Wir stecken voller Energie und Ideen und sind noch lange nicht am Ende unseres Weges. JF